Page 880 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Sechzehntes Kapitel



                                                  Inhaltsverzeichnis






                 Wie sehr die heutigen Heere von der Fechtart der Alten abweichen.


                Die wichtigste Schlacht, die die Römer in irgendeinem Kriege und gegen
                irgendein Volk schlugen, war die unter dem Konsulat des Manlius
                Torquatos und des Decius Mus gegen die Latiner, Die Schlacht am
                Vesuv, 340 v. Chr. denn alles spricht dafür, daß, wie die Latiner mit
                dieser Schlacht ihre Freiheit verloren, auch die Römer im gleichen Falle

                die ihre verloren hätten. Auch Livius ist dieser Meinung. VIII, 8 ff. Er
                schildert beide Heere gleich an Einrichtung, Tapferkeit, Zähigkeit und
                Zahl; nur den Unterschied macht er, daß die römischen Anführer
                heldenhafter waren als die latinischen. Im Verlauf der Schlacht sieht man
                zwei bis dahin unerhörte und auch später seltne Vorfälle: um den Mut der

                Soldaten zu stärken, sie den Befehlen gehorsam und zum Kampf
                entschlossen zu erhalten, tötete der eine Konsul sich selbst und der andre
                seinen Sohn. Die Gleichheit beider Heere bestand nach Livius darin, daß
                sie infolge ihres langen gemeinsamen Kriegsdienstes die gleiche
                Sprache, Organisation und Waffen, die gleiche Schlachtordnung, die
                gleichen Namen für die einzelnen Abteilungen und Führer hatten. Da sie
                also an Zahl und Tapferkeit gleich waren, so war etwas ganz

                Außerordentliches nötig, um die Gemüter des einen Heeres standhafter
                und hartnäckiger zu machen. Denn auf dieser Hartnäckigkeit beruht, wie
                schon früher gesagt, der Sieg, und solange sie die Kämpfer nicht verläßt,
                denken die Heere nicht an Flucht. Daß sie nun in der Brust der Römer
                länger vorhielt als in der der Latiner, bewirkte teils das Schicksal, teils
                der Heldenmut der Konsuln, indem Manlius den Sohn und Decius sich

                selbst tötete.
                     Beim Nachweis dieser Gleichheit beschreibt Livius die Organisation
                und Fechtart der Römer ausführlich. Ich will deshalb nicht alles
                wiederholen, sondern nur erörtern, was ich dabei für bemerkenswert
                halte, und von den Dingen reden, deren Vernachlässigung durch die
                Feldherren unsrer Zeit viel Unordnung bei den Heeren und in den
                Schlachten hervorgerufen hat. Wie sich aus der Darstellung des Livius

                ergibt, bestand das römische Heer aus drei Hauptabteilungen, die man in
                unsrer Sprache Treffen nennen kann. Das erste hieß Hastaten, das zweite





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