Page 888 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Fechtweise, so wird das Geschütz ganz unnütz; denn das Fußvolk kann
                beim Anrücken gegen den Feind dem Geschützfeuer leichter ausweichen
                als in alter Zeit dem Anrennen der Elefanten, der Sichelwagen und

                andrer ungewöhnlicher Kriegsmittel, auf die das römische Fußvolk stieß
                und gegen die es immer ein Mittel fand. Um so leichter hätten die Römer
                ein Mittel gegen das Geschütz gefunden, zumal die Zeit, während der es
                schaden kann, kürzer als die ist, während der die Elefanten und Wagen
                zu schaden vermochten. Denn diese brachten mitten in der Schlacht
                Verwirrung hervor, das Geschütz aber ist nur vorher hinderlich, und das
                Fußvolk weicht diesem Hindernis leicht aus, indem es entweder durch

                das Gelände gedeckt vorrückt oder, wenn geschossen wird, sich zu
                Boden wirft. Die Erfahrung hat auch das als überflüssig erwiesen,
                besonders dem schweren Geschütz gegenüber, denn dies kann nicht so
                genau gerichtet werden und schießt entweder zu hoch oder zu niedrig.
                Sind die Heere aber erst handgemein geworden, so ist es sonnenklar, daß
                weder schweres noch leichtes Geschütz dir schaden kann. Denn steht es

                vor der Front, so fällt es dir in die Hand, steht es dahinter, so trifft es eher
                die eigenen Truppen; auch in der Flanke kann es dich nicht so
                beschießen, daß du nicht drauflosgehen kannst, und dann tritt wieder der
                gleiche Fall ein.
                     Darüber ist nicht viel zu streiten, denn wir haben ein Beispiel an den
                Schweizern. Die hatten 1513 bei Novara weder Geschütz noch Reiterei,
                griffen das mit Geschütz wohl versehene französische Heer in seinen

                Verschanzungen an und schlugen es, ohne durch das Geschütz irgendwie
                behindert zu werden. Der Grund dafür ist außer dem oben Gesagten der,
                daß das Geschütz, wenn es etwas ausrichten soll, durch Mauern, Gräben
                oder Wälle geschützt sein muß. Ohne diese Deckung wird es
                weggenommen oder unnütz. Das aber geschieht in Gefechten oder
                Feldschlachten, wo es nur durch Menschen geschützt werden kann. Auf

                den Flügeln kann man es nur in der Art brauchen, wie die Alten ihre
                Schießwerkzeuge brauchten. Sie stellten sie außerhalb der
                Schlachtordnung auf, und so oft sie von Reiterei oder andern Truppen
                angegriffen wurden, zogen sie sie in die Legionen zurück. Wer anders
                auf das Geschütz rechnet, versteht nichts davon und verläßt sich auf
                etwas, das ihn leicht täuschen kann. Hat auch der Türke durch sein
                Geschütz den Sofi von Persien und den Sultan Von Ägypten. Vgl. Buch

                I, Kap. 1, Anm. 5. besiegt, so kam das nicht von seiner großen Wirkung,
                sondern von dem Schrecken, den das ungewohnte Getöse ihrer Reiterei
                einjagte. Ich komme am Ende dieser Erörterung also zu dem Schluß: Das







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