Page 893 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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In der Ebene von Tunis, 255 v. Chr. war doch die Tapferkeit seines
Fußvolkes so groß, daß er ihm zutraute, diese Schwierigkeit zu
überwinden.
Ich wiederhole also: um geordnetes Fußvolk zu besiegen, muß man
ihm noch besser geordnetes Fußvolk entgegenstellen, sonst geht man
einer offenbaren Niederlage entgegen. Zur Zeit des Filippo Visconti,
Filippo Maria Visconti, 1412-47 Herzog. Die Schlacht fand 1422 statt.
Herzogs von Mailand, stiegen 16 000 Schweizer von ihren Bergen in die
Lombardei hinab, und der Herzog schickte ihnen seinen Feldherrn
Carmagnola mit 1000 Reitern und wenig Fußvolk entgegen.
Carmagnola, der ihre Fechtart nicht kannte, griff sie mit seiner Reiterei
an, in der Meinung, sie sofort auseinander sprengen zu können. Als er sie
aber unerschüttert sah und viele Leute verloren hatte, zog er sich zurück.
Als tapferer Mann jedoch, der in neuen Lagen neue Maßregeln wußte,
verstärkte er sich mit frischen Truppen, ging ihnen nochmals entgegen,
ließ in der Nähe des Feindes seine schwere Reiterei absitzen, stellte sich
an die Spitze seines Fußvolks und griff die Schweizer an, die sich gar
nicht zu helfen wußten. Denn die wohlbewaffneten Rüstmänner
Carmagnolas konnten zu Fuß leicht in die Reihen der Schweizer
einbrechen, ohne die geringste Wunde zu erhalten, und waren sie einmal
eingebrochen, so konnten sie sie leicht niederhauen. So blieben von dem
ganzen Schweizer Heer nur die wenigen übrig, denen Carmagnola aus
Menschlichkeit das Leben schenkte.
Ich glaube, daß viele den großen Unterschied in der Brauchbarkeit
beider Waffengattungen einsehen, aber wir leben in einer so
unglücklichen Zeit, daß weder alte noch neue Beispiele, noch selbst das
Eingeständnis ihres Irrtums unsre Fürsten zu der Einsicht bringen
können, daß man, um den Kriegswesen eines Landes oder Staates
Geltung zu verschaffen, notwendig die Einrichtungen der Alten erneuern
und befolgen, ihnen Ansehen und Lebenskraft geben muß, damit sie dem
Staat wieder Ansehen und Lebenskraft geben. Aber sie weichen hierin
wie in allem von den Einrichtungen der Alten ab, und so schlagen ihre
Eroberungen zum Nachteil, nicht zur Größe ihres Staates aus, wie unten
gezeigt werden soll.
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