Page 892 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Fußvolk der Reiterei überlegen ist. Denn in andern Schlachten ließen die
                Konsuln die Reiter absitzen, um dem bedrängten Fußvolk zu Hilfe zu
                kommen, hier aber saßen sie nicht ab, um dem Fußvolk beizustehen,

                noch um mit dem feindlichen Fußvolk zu kämpfen, sondern hier fochten
                Reiter gegen Reiter, die sich außerstande sahen, zu Pferde die Oberhand
                zu gewinnen, und absaßen, um leichter zu siegen. Ich ziehe daher den
                Schluß, daß geordnetes Fußvolk nur sehr schwer zu schlagen ist, außer
                durch andres Fußvolk.
                     Crassus und Marcus Antonius zogen mit sehr wenig Reiterei und
                sehr viel Fußvolk viele Tage lang durch das Reich der Parther und hatten

                zahllose parthische Reiterei gegen sich. Crassus fand mit einem Teil
                seines Heeres den Tod, 53 v. Chr., nach der Niederlage bei Carrhae, die
                freilich die Überlegenheit der parthischen Reiterei in einer für die Römer
                vernichtenden Weise dartat. Antonius aber machte einen glänzenden
                Rückzug. Selbst in dieser Bedrängnis der Römer sieht man, wie sehr das
                Fußvolk der Reiterei überlegen ist. Denn in einem weiten Lande, wo es

                wenig Berge und sehr wenig Flüsse gab, wo das Meer weitab lag und
                jede Bequemlichkeit fehlte, machte Antonius selbst nach dem Urteil der
                Parther einen glänzenden Rückzug, und nie wagte die ganze parthische
                Reiterei sein Heer anzugreifen. Fiel Crassus auch, so wird der
                aufmerksame Leser seiner Geschichte doch finden, daß er mehr
                überlistet als bezwungen wurde, und daß ihm die Parther bei aller
                Unordnung in seinem Heere doch nie auf den Leib zu rücken wagten.

                Vielmehr brachten sie ihn dadurch ins äußerste Elend, daß sie ihm stets
                zur Seite blieben, ihm die Zufuhr abschnitten, Versprechungen machten
                und sie nicht hielten.
                     Es würde mir, glaube ich, schwerer fallen, die Überlegenheit des
                Fußvolkes über die Reiterei überzeugend darzutun, wenn wir nicht durch
                neuere Beispiele den vollsten Beweis dafür hätten. So sah man die oben

                angeführten 9000 Schweizer bei Novara 10 000 Reiter und ebensoviel
                Fußtruppen angreifen und schlagen, denn die Reiter konnten ihnen nichts
                anhaben, aus den Fußtruppen aber, meist Gascognern und schlecht
                geordnet, machten sie sich nichts. Später sah man 26 000 Schweizer
                oberhalb Mailand den König Franz I. von Frankreich angreifen, Schlacht
                bei Marignano. S. Lebenslauf, 1515. der 20 000 Reiter, 40 000 Mann
                Fußvolk und 100 Geschütze hatte. Sie siegten zwar nicht wie bei Novara,

                fochten aber zwei Tage lang auf das tapferste, und als sie geschlagen
                waren, rettete sich noch die Hälfte von ihnen. Marcus Attilius Regulus
                getraute sich mit seinem Fußvolk nicht allein der Reiterei, sondern auch
                den Elefanten die Spitze zu bieten, und wenn ihm das auch nicht gelang,





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