Page 890 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Achtzehntes Kapitel



                                                  Inhaltsverzeichnis






                       Nach dem Vorgang der Römer und dem Beispiel der alten
                    Kriegskunst ist das Fußvolk höher zu bewerten als die Reiterei.


                Es läßt sich durch viele Gründe und Beispiele klar beweisen, daß die
                Römer bei allen Kriegshandlungen viel mehr Wert auf das Fußvolk als
                auf die Reiterei legten und ihre ganze Kriegführung darauf einstellten.
                Unter anderm zeigt sich das an der Schlacht mit den Latinern am See

                Regillus. 496 v. Chr. Vgl. Livius II, 19-21. Als das römische Heer schon
                zu wanken begann, ließ man zu seiner Unterstützung einen Teil der
                Reiterei absitzen, erneuerte den Kampf und errang den Sieg. Das beweist
                deutlich, daß die Römer mehr Vertrauen auf das Fußvolk als auf die
                Reiterei setzten. Das gleiche Mittel gebrauchten sie in vielen andern

                Schlachten, und stets bewährte es sich in der Gefahr als das beste. Man
                wende nicht Hannibals Ansicht ein, der in der Schlacht bei Cannae Vgl.
                Livius XXII, 49. sah, daß die Konsuln ihre Reiterei absitzen ließen, und
                spottend bemerkte: Quam mallem, vinctos mihi traderent equites,
                d. h. noch lieber wär's mir, sie lieferten sie mir gebunden aus. Diese
                Ansicht kommt zwar aus dem Munde eines der größten Feldherren, aber
                wenn man sich schon auf Autoritäten berufen will, muß man mehr der

                römischen Republik und so vielen ihrer besten Heerführer als dem einen
                Hannibal glauben, zumal man außer der Autorität auch noch klare
                Gründe dafür hat.
                     Der Fußsoldat kann sich in mancherlei Gelände bewegen, wo der
                Reiter nicht fortkommt; man kann ihn lehren, Ordnung zu halten und,
                wenn sie gestört wird, sie wiederherzustellen. Reiterei ist schwer in Reih

                und Glied zu halten, und ist sie in Verwirrung geraten, schwer wieder in
                Ordnung zu bringen. Außerdem gibt es bei den Pferden wie bei den
                Menschen mutige und feige, und oft wird ein mutiges Pferd von einem
                feigen Reiter geritten und umgekehrt. In beiden Fällen aber entsteht
                daraus Unordnung und Unbrauchbarkeit. Auch kann geschlossenes
                Fußvolk leicht die Reiterei werfen, aber schwer von ihr geworfen
                werden. Diese Ansicht wird außer durch viele alte und neue Beispiele

                auch durch die Schriftsteller über das Staatswesen bestätigt. Sie zeigen
                uns, daß die Kriege anfangs mit Reitern geführt wurden, weil man das





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