Page 934 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Unternehmens noch ängstlicher macht. Auch ist die Mehrzahl der Leute,
                die zu einem solchen Unternehmen gebraucht werden, mit der
                Beschaffenheit der Gegend und der Örtlichkeit nicht vertraut, und so

                verlieren sie beim geringsten Zufall den Kopf, werden mutlos und
                geraten in Unordnung. Jede falsche Einbildung kann sie in die Flucht
                schlagen. Niemand war in solchen nächtlichen Überfällen glücklicher als
                Aratos von Sikyon, S. Seite 239, Anm. 12. der sich bei Tage im offenen
                Kampf ebenso kleinmütig zeigte, wie er hier Mut bewies. Das erklärt
                sich wohl eher aus einer geheimen Anlage, die er besaß, als daß man
                daraus folgern könnte, solche Unternehmungen müßten ihrer Natur nach

                öfter Erfolg haben. Versuche dieser Art werden also genug gemacht, aber
                wenige zur Ausführung gebracht, und ganz wenige glücken.
                     Was die Eroberung der Städte durch Übergabe betrifft, so ergeben sie
                sich entweder freiwillig oder gezwungen. Die Freiwilligkeit kommt
                entweder von einer äußeren Notlage, die sie zwingt, sich unter deinen
                Schutz zu begeben, wie Capua unter den Schutz der Römer. Oder sie

                entspringt aus dem Wunsche nach einer guten Regierung, wenn eine
                Stadt sieht, daß sich schon andre freiwillig in die Arme eines guten
                Herrschers geworfen haben. So ergaben sich Rhodos, S. Buch II, Kap.
                30, Anm. 147. Massilia S. Seite 140, Anm. 11. und andre Städte den
                Römern. Die erzwungene Übergabe ist entweder die Folge langer
                Belagerung oder anhaltender Bedrückung durch Streifzüge,
                Gebietsverheerungen und andre Gewalttaten, zu deren Vermeidung sich

                eine Stadt ergibt. Von allen genannten Eroberungsarten wandten die
                Römer am häufigsten die letztere an; sie waren länger als 450 Jahre
                bemüht, ihre Nachbarn durch Niederlagen und Streifzüge zu entkräften
                oder durch Friedensschlüsse Ansehen über sie zu gewinnen, wie wir
                schon früher erörtert haben. Wenn sie auch alle andern Arten versuchten,
                kamen sie doch immer wieder auf diese zurück, denn die andern

                schienen ihnen gefährlich oder zwecklos. Belagerungen sind langwierig
                und kostspielig, der Sturm zweifelhaft und gefährlich, Eroberung durch
                Verrat ungewiß. Durch die Niederlage eines feindlichen Heeres eroberten
                sie ein Reich an einem Tage, und mit der Belagerung einer
                widerspenstigen Stadt gingen Jahre verloren.


















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