Page 988 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Fünfzehntes Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Einer, nicht viele müssen an der Spitze eines Heeres stehen; mehrere
Befehlshaber sind schädlich.
Als sich die Fidenaten empört und die von den Römern nach Fidenae
gesandte Kolonie getötet hatten, ernannten die Römer, um diesen
Schimpf zu rächen, vier Tribunen mit konsularischer Gewalt. Einer
davon blieb zur Bewachung Roms zurück, die drei andern wurden gegen
die Fidenaten und Vejenter geschickt. Durch ihre Uneinigkeit trugen sie
zwar keinen Schaden, aber doch Schande davon, denn ihre Schande
hatten sie sich selbst zuzuschreiben, die Verhütung des Schadens aber
der Tapferkeit der Soldaten. Als die Römer diese Unordnung sahen,
nahmen sie ihre Zuflucht zur Wahl eines Diktators, damit einer in
Ordnung brächte, was drei verpfuscht hatten. Hieraus ersieht man die
Verkehrtheit mehrerer Befehlshaber bei einem Heer oder in einer Stadt,
die verteidigt werden soll. Titus Livius kann dies nicht deutlicher
ausdrücken als mit den Worten: Tres tribuni potestate consulari
documento fuere, quam plurium imperium bello inutile esset;
tendendo ad sua quisque consilia, cum alii aliud videretur,
aperuerunt ad occasionem locum hosti. Livius IV, 31 (426 v. Chr.).
(Die drei Tribunen mit Konsulargewalt gaben den Beweis, wie nachteilig
der Oberbefehl mehrerer im Kriege ist; da jeder seinen Plan befolgt
wissen wollte, jeder etwas andres für gut hielt, gaben sie dem Feinde
Gelegenheit, ihnen beizukommen.) Dies Beispiel dürfte zum Beweis
hinreichen, welche Unordnung mehrere Heerführer im Krieg
verursachen. Ich will aber der großen Deutlichkeit halber noch ein altes
und ein neues anführen.
Als König Ludwig XII. von Frankreich im Jahre 1500 Mailand
zurückerobert hatte, schickte er seine Truppen nach Pisa, um die Stadt
für die Florentiner wieder einzunehmen. Von Florenz aus wurden
Giovanni Battista Ridolfi und Luca degli Albizzi, der Sohn Antonios, als
Kommissare hingeschickt. Machiavelli folgte ihnen als Sekretär. S.
Lebenslauf, 1500. Da nun Giovanni Battista ein Mann von Ruf und älter
war, überließ ihm Luca die Leitung des Ganzen, und wenn er seinen
Ehrgeiz auch nicht durch Widerspruch zeigte, so doch durch
Stillschweigen, durch Herabsetzen und Bespötteln von allem. Er trug
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