Page 983 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
P. 983
Dreizehntes Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Auf wen mehr Verlaß ist, auf einen guten Feldherrn mit einem
schlechten Heer oder auf ein gutes Heer mit einem schlechten
Feldherrn.
Als Coriolan aus Rom verbannt war, S. Buch I, Kap. 7, Anm. 23. ging er
zu den Volskern, warb ein Heer und rückte gegen Rom, um sich an
seinen Mitbürgern zu rächen, zog aber mehr aus Pietät gegen seine
Mutter als wegen der römischen Streitkräfte wieder ab. Livius II, 39.
bemerkt hierzu, man ersehe daraus, daß die römische Republik mehr
durch die Tüchtigkeit ihrer Feldherrn als ihrer Soldaten groß geworden
sei. Denn die Volsker wären früher stets besiegt worden und hätten nur
das eine Mal, wo Coriolan sie führte, gesiegt. Obwohl Livius dieser
Meinung ist, sieht man doch aus vielen Stellen seiner Geschichte, daß
die Soldaten auch ohne Feldherrn Wunder der Tapferkeit verrichteten, ja,
daß sie, wenn die Konsuln gefallen waren, besser geordnet blieben und
tapfrer fochten als vorher. So konnte das römische Heer, das unter den
Scipionen in Spanien focht, sich nach dem Verlust beider Anführer
Publius und Gnejus Scipio fielen 212 v. Chr. im Kampf gegen Hannibals
Brüder Hasdrubal und Mago nicht nur durch seine Tapferkeit retten,
sondern auch den Feind besiegen und das Land der Republik erhalten.
Bei genauer Prüfung wird man viele Beispiele finden, wo nur die
Tapferkeit der Soldaten die Schlacht gewann, und viele andre, wo allein
die Tüchtigkeit der Feldherrn den Sieg errang. Man kann also den Schluß
ziehen, daß der Feldherr so sehr des Heeres bedarf, wie umgekehrt.
Wohl aber kann man zunächst fragen, was mehr zu fürchten sei, ein
gutes Heer mit einem schlechten Feldherrn oder ein guter Feldherr mit
einem schlechten Heer. Nach Cäsars Meinung braucht man weder auf
das eine noch auf das andre viel zu geben. Als er nämlich in Spanien
gegen Afranius und Petrejus focht, die ein gutes Heer hatten, sagte er, er
mache sich wenig daraus: quia ibat ad exercitum sine duce (weil er
gegen ein Heer ohne Feldherrn zöge), womit er auf die Unfähigkeit der
Feldherrn deutete. Als er dagegen nach Thessalien gegen Pompejus zog,
sagte er: vado ad ducem sine exercitu. Sueton, Julius Cäsar, 34. (Ich
gehe gegen einen Feldherrn ohne Heer.)
982