Page 156 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
P. 156

j^^                     Gottl. Friedr. Lipps.
            Das Beachten dieser Möglichkeit regt zu dem Versuche an,  die
        Voraussetzung von empirisch nicht nachweisbaren Bestandtheilen zum
        Erklärungsgrund gegebener Beziehungen   zu machen und in dieser
        Absicht auch die erfahrungsgemäß einfachen Bewusstseinsinhalte als
        im allgemeinen zusammengesetzt anzunehmen.
           Diese Annahme   steht mit der Erfahrung nicht in "Widerspruch.
        Denn die Bewusstseinsinhalte sind, wie bereits bemerkt wurde, nicht
        an und für sich sondern lediglich im Vergleiche mit anderen,   als
        Erlebnisse vorliegenden Bewusstseinsinhalten einfach oder zusammen-
        gesetzt.  Eine zusammengesetzte Beschaffenheit muss daher auch da
        noch als denkbar gelten, wo sie nicht als Thatsache gegeben ist.  Sie
        darf somit vorausgesetzt werden,  falls  dies den Interessen des Er-
        kennens dienlich  ist.
           Wird demgemäß angenommen, dass an einem Bewusstseinsinhalte
        ein als solcher nicht empirisch wahrnehmbarer Bestandtheil vorhanden
        sei, so muss  er, da er anders nicht denkbar  ist,  eine Intensität und
        eine QuaHtät  besitzen.  Auf Grund  derselben gewinnt  er für das
        Denken den Charakter   eines Bewusstseinsinhaltes ,  ohne jedoch in
        Wirklichkeit einer zu  sein, da er in keinem Akte des erfassenden
        Denkens gegeben   ist.  Er  soll ein Element des Bewusstseinsinhalts
        oder ein Element schlechthin genannt werden.    Die Intensität des
        Elementes unterliegt nur der Beschränkung, kleiner zu sein als die
        Intensität des Bewusstseinsinhaltes, dem das Element zugehört;  sie
        kann daher in jeder mit dieser Bedingung verträglichen Stärke vor-
        ausgesetzt werden.  Bezüglich der Qualität hingegen lässt sich bloß
        behaupten,  dass  sie in der Qualität des Bewusstseinsinhaltes  ent-
        halten  sei, während ihre Eigenart, eben weil sie nicht erlebt wird,
        durchaus unbekannt bleibt. Wird die Qualität des Elementes durch
        a, die Intensität durch den reellen, positiven Zahlenwerth x als Index
        von a angedeutet,  so erhält das Element selbst in dem Symbole a^
        eine zutreffende Darstellung;  sie bringt zum Ausdruck, dass im all-
        gemeinen  die Quahtät a in verschiedenen Bewusstseinsinhalten mit
        verschiedener, durch den variablen Index x markirter Stärke  auf-
        tretend zu denken  ist.  Entsprechend sind andere Elemente durch
            ^zi ^u-  '  '  darzustellen ,  yfo  b,  c, d  die Qualitäten und  die
        ^1/ »                                 .  .  .
        reellen, positiven Zahlen y,ic,u.  . dde variablen Intensitäten bezeichnen.
                                     .
            Es wäre denkbar, dass diese Elemente unter einander ebenso wie
   151   152   153   154   155   156   157   158   159   160   161