Page 218 - Stiftung Warentest - Warenkunde Brot - Gutem Brot auf der Spur
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verwandeln das Innere von Weizen- und Weizenmischbroten vor allem in den
Sommermonaten durch enzymatischen Abbau in eine schleimig-stinkende Masse, die
beim Auseinanderbrechen Fäden zieht.
Sauerteigherstellung und -auffrischung
Der erste Sauerteig ist vermutlich ein Zufallsprodukt gewesen. Der normalerweise
verzehrte Getreidebrei begann nach wenigen Stunden Gasblasen zu bilden und säuerlich
zu riechen. Ein experimentierlustiger Vorfahre muss diesen blubbernden Brei dann
gebacken haben. Das erste gelockerte Brot war geboren. Vielleicht aber war all dies
auch ein Ergebnis guter Beobachtung und gezielter Versuche?
Auch heute wird ein Spontansauerteig nicht anders als vor Jahrtausenden angesetzt. Die
nötigen Mikroorganismen leben überall, bei Getreide vor allem an den Schalenteilen
des Korns. Deshalb kommt für den ersten Sauerteigansatz ökologisch angebautes
Vollkornmehl zum Einsatz. Es kann generell aus allen Getreide- und
Pseudogetreidearten Sauerteig angesetzt werden. Die Menge der „eingefangenen“
Mikroorganismen und die Temperatur bestimmen das Tempo der Sauerteigwerdung.
Ideal sind 26 bis 30 °C. Mehl und Wasser werden zu gleichen Teilen verrührt und 24
Stunden vor Austrocknung geschützt warm gelagert. Anschließend wird dieselbe Menge
Mehl und Wasser zum Vortagesansatz zugegeben, verrührt und erneut 24 Stunden zur
Reife gestellt. In dieser Zeit sollten sich schon erste Bläschen zeigen. Der Geruch kann
leicht säuerlich sein. Aber auch andere, unangenehme Düfte, zum Beispiel nach faulen
Eiern, sind möglich und kein Grund, das Vorhaben abzubrechen. Die Zugabe von Mehl
und Wasser wiederholt sich über die nächsten zwei bis drei Tage. Der Sauerteig
entwickelt sich zunehmend schneller. Deshalb kann die Zugabe nach dem zweiten Tag
entweder alle zwölf Stunden erfolgen oder es wird alle 24 Stunden nur noch ein Teil
des Vortagesansatzes im Verhältnis 1:1:1 mit Mehl und Wasser vermischt.
Während der vier bis fünf Tage Herstellungszeit vermehren sich alle zuvor eingeführten
Mikroorganismen. Spätestens nach dem dritten Tag sollte sich jedoch ein pH-Wert
eingestellt haben, der für den Sauerteig nicht zuträgliche Bakterien inaktiviert. Dagegen
dominieren nun Milchsäurebakterien und säuretolerante Hefepilze, die über die letzten
ein bis zwei Tage gezielt vermehrt werden. Der Sauerteig riecht am Ende mild-
säuerlich, fruchtig und ist von feinen Gasblasen durchzogen. Dieser erste Ansatz eines
Spontansauerteiges ist häufig auch der einzige innerhalb eines Bäckerlebens. Denn
dieser erste Sauerteig wird regelmäßig gepflegt, durch Auffrischen mit Mehl und
Wasser.