Page 47 - Brot backen - wie es nur noch wenige können
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auf den Rücken zu legen, tut man es trotzdem, geht im Haus alles drunter und drüber und die Engel im
  Himmel schreien.
     Diese  wie  andere  Bräuche,  zum  Beispiel  ein  Stück  Weihnachtsbrot  in  die  erste  Ackerfurche  zu
  legen oder demjenigen, der in die Fremde geht, ein Stück Brot in die Jacke zu nähen, wurden im
  privaten  Bereich  praktiziert  und  waren  also  nicht  von  der  Obrigkeit  zu  kontrollieren.  Öffentlich
  praktizierte  Bräuche  gerieten  zur  Zeit  der  Aufklärung  ins  Visier  der  Herrschenden.  Schon  Maria
  Theresia  schaffte  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  mit  päpstlicher  Unterstützung  eine  große  Zahl  von
  Festtagen ab. Ihr Sohn Joseph II. setzte rund 20 Jahre später noch mal den Rotstift an und verbot auch

  nahezu alle Bittgänge, Prozessionen und Wallfahrten. Dies geschah nicht nur, um den Aberglauben zu
  bekämpfen,  es  hatte  auch  wirtschaftliche  Gründe.  Der  Müßiggang  passte  nicht  ins  Zeitalter  des
  Merkantilismus.


  VERBOTEN? WEN KÜMMERT’S!

  Die Menschen auf dem Land hielten sich nicht an die Verbote. Sie feierten die Feste weiterhin, wie sie
  fielen.  Als  Erzherzog  Johann  in  der  ersten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  eine  Umfrage  durchführen
  ließ, um „eine Darstellung des Charakters, der Sitten und Gebräuche aller deutschen Alpenbewohner“
  zu verfassen, und auch die Frage stellte, „Was thut der Landmann an abgebothenen Feyertagen, und

  wie  benehmen  sich  die  Dienstbothen  an  denselben?“,  erhielt  er  erschütternde  Berichte  aus  seinen
  innerösterreichischen  Landen:  „Die  abgebothenen  Feyertage  werden  von  den  Bauern  gleich  den
  Feyertagen  verfeyert“,  wurde  1842  aus  Spielberg  vermeldet.  „An  abgeschafften  Feyertagen  wird
  leider ... auf dem offenen Lande noch nicht gearbeitet“, schreibt der Informant aus Göss 1811. „Am
  stärksten  treiben  hiebey  die  Dienstbothen  ihr  Unwesen,  und  lassen  sich  weder  durch  Zureden,
  Ermahnung, noch Strenge zur Arbeit bey ihrem Dienstbauer an diesen abgeschafften Feyertagen und
  Feyerabenden bringen.“
     Der Chronist kommentiert, es sei „eine Art Abgötterey“, also Götzendienst. Vom Standpunkt des
  Aufklärers mag er Recht haben. Aber die Landbevölkerung dachte anders. Abgesehen davon, dass sie
  sich  ihre  freien  Tage  nicht  nehmen  lassen  wollte  –  wer  wäre  heute  begeistert,  wenn  man  ihm
  Urlaubstage striche –, jeder Heilige, dessen Tag gefeiert wurde, hatte bestimmte Zuständigkeiten als
  Fürbitter und konnte helfen, wenn man ihn anrief. Wer wollte diese Patrone, die Krankheiten heilten,
  Naturgewalten  besänftigten  und  das  Vieh  gesund  hielten,  schon  verärgern,  indem  man  ihnen  den
  Ehrentag vorenthielt?



  OBRIGKEIT GEGEN VOLKSFRÖMMIGKEIT

  Die kirchliche und weltliche Obrigkeit hatte nicht nur aufklärerische und wirtschaftliche Gründe, um
  gegen religiöse und nichtreligiöse Bräuche vorzugehen. Wenn das Volk zusammenströmte und auch
  noch maskiert war, sprich den Schutz der Anonymität genoss, bot sich Gelegenheit zu revolutionärem
  Gebaren und Kritik an den Autoritäten.
     So zogen sich zum Beispiel in Salzburg die Perchten den Unmut der Erzbischöfe zu. Die jungen,
  unverheirateten  Burschen,  die  sich  hinter  wilden  Masken  versteckten,  nutzten  ihren  Auftritt,  um
  Rivalitäten mit den Bauern auszutragen, Geiz anzuprangern oder heimliche Liebschaften öffentlich zu
  machen. Diese Form der sozialen Kontrolle war unerwünscht. Seit Mitte des 17. Jahrhunderts kam es

  immer wieder zu Auftrittsverboten, die umgangen wurden, bis Fürst- erzbischof Colloredo endgültig
  durchgriff:  Er  untersagte  unter  anderem  das  Errichten  von  Sonnwendfeuern,  die  Eselsritte  am
  Palmsonntag,  das  Wetterläuten  und  in  den  1780er-Jahren  auch  den  Perchtenlauf.  Viele  Bräuche
  wurden  nun  heimlich  durchgeführt,  andere  gingen  verloren,  Reste  blieben  nur  in  abgelegenen
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