Page 52 - Brot backen - wie es nur noch wenige können
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Beim Umzug in ein neues Heim wird Brot und Salz verschenkt. Rechts: Brot als Hochzeitsgebäck wird dem Brautpaar
  übergeben.

  Wenn jemand stirbt, sagt man, „er hat den Löffel abgegeben“. Das klingt despektierlich, hat aber einen
  ganz konkreten Hintergrund: Als die Menschen noch gemeinsam aus einer Schüssel aßen, war der
  Löffel überlebenswichtig und persönliches Eigentum jedes Mitglieds der Tischgemeinschaft. Wenn
  einer nicht mehr mitessen konnte, gab er den Löffel ab.
     Früher starben die Menschen zu Hause, der Tote wurde aufgebahrt, Freunde und Nachbarn statteten

  Besuche ab und hielten Totenwachen. Diesen Besuchern reichten die Hinterbliebenen einen Laib Brot
  mit  der  Aufforderung:  „Schneid  ab  und  iss  von  seinem  Brot,  damit  ihr  euch  in  der  anderen  Welt
  erkennt!“ Dem Boten, der die Einladung zur Trauerfeier brachte, musste man Brot geben, sonst „ließ
  er den Tod zurück“. Beim Begräbnis wurden Brot- oder Gebäckspenden in großer Zahl und an einen
  großen Personenkreis verteilt. In vielen Orten war es üblich, auch die Armen an so einem Tag zu
  beschenken – jedes „Vergelt’s Gott“ kam der armen Seele im Jenseits zugute.



  VON JANUAR BIS DEZEMBER
  Das Jahr war früher durch eine Vielzahl von Festtagen strukturiert. Teils hatten sie religiösen Bezug,

  Zäsuren setzten aber auch Ruhepausen, die dem Ablauf des bäuerlichen Arbeitslebens folgten. War die
  Ernte eingefahren, das Dreschen beendet, kamen zu Lichtmess die neuen Dienstboten – immer gab es
  Anlass zum Feiern.
     Der Ausdruck „fressen wie ein Scheunendrescher“ belegt das sehr schön: Wer seine Arbeit geleistet
  hatte, sollte sich satt essen. Zu vielen dieser Gelegenheiten wurde besonderes Brot gebacken, in jeder
  Region gab es eigene Traditionen und spezielle Namen für die Brauchtumsbrote. Sie alle aufzuzählen,
  würde ins Uferlose führen.
     Erwähnt  werden  soll  allerdings  Allerheiligen  (1.  November),  das  mit  Allerseelen  zu  einem
  Doppelfest  verschmolz  und  besondere  Bedeutung  hat,  weil  die  Brotspenden  für  die  Armen,  die
  Dienstboten  und  die  Patenkinder  besonders  reichlich  flossen.  An  diesen  Tagen  gedachte  man  der
  Toten,  die  gute  Tat  des  Beschenkens  sollte  ihrem  Seelenheil  zugute  kommen.  Neben  Wecken  und
  Laiberln wurden Allerheiligenstriezel, ein Weißbrot in Zopf- oder Weckenform, ausgeteilt, in vielen
  Regionen  sind  Heischbräuche  belegt:  Die  Gabensammler,  auch  „Armenseelengeher“,
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