Page 56 - Brot backen - wie es nur noch wenige können
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Pferd und verprügelten ihn. Das war’s dann, der Brauch wurde verboten. Heute muss der Reiter keine
Prügel befürchten, auch wenn ihm die Brezn ausgehen. Keiner würde die Hand erheben wegen eines
Gebäcks, das zum Alltag gehört und in jeder Bäckerei zu kaufen ist.
Bräuche suchen ihre Wurzeln im Historischen, sie entstehen aber auch neu wie zum Beispiel die
„Weisertweckenfahrten“. „Weisat“ nannte man im Alpenraum die Gaben, die der Wöchnerin
übergeben wurden, Speisen, aber auch Geschirr oder Stoff. Selbstverständlich war in den
Geschenkkörben auch immer ein Weißbrot. Diesen Brauch haben die jungen Leute aufgegriffen und
ihn zeitgemäß verändert: Sie lassen beim Bäcker den Weisertwecken backen, dessen Größe sich nach
dem Gewicht des Neugeborenen richtet: ein Meter Weißbrot pro 500 Gramm Körpergewicht. Diese
riesigen Backwerke werden geschmückt und dann zum Haus der Eltern gefahren, wo die Freunde
versammelt sind und mit Speis und Trank die Ankunft des neuen Erdenbürgers feiern. Alte Wurzeln,
neue Inhalte und Formen. Man sieht: Wir brauchen Bräuche.
Egal, ob man Jause oder – wie in Bayern – Brotzeit macht, das Brot spielt immer eine zentrale Rolle.
EIN RECHT GROSSES STÜCK VOM BROTLAIB
ABSCHNEIDEN