Page 53 - Brot backen - wie es nur noch wenige können
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„Seelenweckengeher“ oder „Heiligenstriezelsammler“ genannt, zogen von Haus zu Haus, erbaten
ihren Striezel und bedankten sich mit einem „Vergelt’s Gott für die Allerheiligen!“ oder „Vergelt’s
Gott für die armen Seelen!“
Die Bräuche, die den bäuerlichen Jahreslauf von Lichtmess bis Martini strukturierten, gingen
verloren und mit ihnen erlosch auch die Tradition, Gebildbrote zu backen. In der voll mechanisierten
Landwirtschaft hängt niemand mehr Tiersymbole aus Teig in den Stall, um Krankheiten abzuwenden.
Und viele der Spezialitäten, die es früher nur zu besonderen Anlässen gab, wie zum Beispiel Brezn,
gehören heute zum alltäglichen Angebot in den Bäckereien.
Von den christlichen Feiertagen blieben nur Dreikönig, Ostern, Christi Himmelfahrt, Pfingsten,
Fronleichnam, Mariä Himmelfahrt, Allerheiligen, Mariä Empfängnis und Weihnachten erhalten. In
Österreich sind all diese Tage gesetzliche Feiertage, in Deutschland und der Schweiz hängt es von der
Region ab, ob man die Arbeit ruhen lassen und einen Urlaubstag planen kann. Denn das sind die
meisten Feiertage geworden: willkommene Gelegenheiten, um sich der Freizeitgestaltung zu widmen.
Aber auch wer nicht im Stau, sondern in der Küche steht – zu welcher feierlichen Gelegenheit würde
sie oder er heute besonderes Brot backen? In den meisten Familien beschränken sich die Aktivitäten
auf Ostern– Osterfladen, Osterzopf, Pinze – und Weihnachten. Neben den Keksen wird noch immer
Kletzenbrot hergestellt. In den Brotteig kommen gedörrte Früchte – Zwetschken, Birnen –, die Zutaten
lassen sich bereichern: Nüsse, Zitronat, Orangeat etc.
Das Kletzenbrotbacken, das traditionell am Andreastag, dem 30. November, stattfand, leitete früher