Page 54 - Brot backen - wie es nur noch wenige können
P. 54
die Adventszeit ein. Je nach Hausbrauch wurde es zu Nikolo oder erst zu Weihnachten angeschnitten.
Mit dem Kletzenbrot verbanden sich früher diverse Brauchtumshandlungen, so gab man zum Beispiel
auch den Tieren im Stall davon, damit sie gesund blieben. In manchen Regionen bekamen die Knechte
und Mägde ein Kletzenbrot von der Herrschaft geschenkt, ein einfaches mit Zwetschken und Birnen.
Wollten sie feinere Zutaten wie Rosinen oder Feigen mussten sie diese selbst kaufen, die Hausfrau
buk sie dann mit in den Brotteig ein.
LEBENDIGES BRAUCHTUM
Die Vielfalt der Brauchtumsbrote hat sich also auf ein Minimum reduziert, Figuren wie den Nikolo
oder den Osterhasen, die früher aus Brotteig geformt wurden, haben Schokoladenprodukte ersetzt.
Aber es gibt Bäcker im Alpenraum, die sich an die Tradition erinnern und zum Beispiel wieder
Allerheiligenstriezel anbieten oder – beispielsweise in der Innerschweiz – am 5. Februar Agatha-
Brötli herstellen. Der 5. Februar ist der Gedenktag der Heiligen Agatha von Catania. Sie gehört zu
den Brotheiligen, das in ihrem Namen hergestellte und geweihte Brot schützt vor Krankheiten und
Unheil.
Aufklärung, Industrialisierung, ein modernes, von immer neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen
bestimmtes Weltbild – all das hat einem Brauch nichts anhaben können, der noch heute gelebt und
schon in der Bibel erwähnt wird: Dort werden Verbindungen, die auf ewig währen sollen, als
„Salzbündnisse“ bezeichnet. Salz ist lebenswichtig für den menschlichen Körper, ohne Natrium und
Chlorid kann unser Organismus nicht funktionieren. Brot ist unser Grundnahrungsmittel – der
Verbindung dieser beiden Urspeisen werden magische Wirkungen zugesprochen. Wer mit jemand
anderem Brot und Salz teilt, zeigt, dass er ihm wohlgesonnen ist, wer Brot und Salz verschenkt –
anlässlich einer Hochzeit oder eines Umzugs – verbindet damit Segenswünsche: Fruchtbarkeit,
Gesundheit, das Leben im Zweierbund oder im neuen Heim möge gelingen. Dieser Brauch wird nicht
öffentlich zelebriert, Brot und Salz zu verschenken, ist eine private Geste der Vertrautheit und
Freundschaft.