Page 50 - Brot backen - wie es nur noch wenige können
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mehren –, hatten die jungen Frauen doch auch Möglichkeiten, ihre Sympathien zum Ausdruck zu
bringen. Wenn ein Mädchen einen jungen Mann zum Beispiel ein Kletzenbrot anschneiden ließ oder
ihm das „Scherzl“ schenkte, galt dies als Beweis der Zuneigung.
Mit dem Kletzenbrotbacken beginnen die Vorbereitungen auf Weihnachten.
Ob Stadt oder Land, ob arm oder reich – die Hochzeit war das wichtigste Fest im Lebenslauf. Die
Brauteltern, die sie auszurichten hatten, wollten sich nicht lumpen lassen und tischten üppig auf.
Feierte der Adel eine Vermählung, partizipierte manchmal auch das gemeine Volk. So wurde
anlässlich der Hochzeit von Kronprinz Ludwig von Bayern mit Therese von Sachsen-Hildburghausen
im Oktober 1810 – rückblickend war dies das erste Oktoberfest – auch die Bevölkerung öffentlich
bewirtet. Überall in der Münchner Innenstadt waren Tische und Bänke aufgestellt, es gab 3.992 Pfund
Schweizerkäse, über 80 Zentner gebratenes Schaffleisch, 8.120 Cervelat-Würste, 13.300 Paar
geselchte Würste, 232 Hektoliter Bier und vier Hektoliter österreichischen Weißwein. Das Haus
Wittelsbach war großzügig, das zeigt auch die Tatsache, dass man 32.065 „Laibln Semmelbrot“, also
Brot aus teurem Weißmehl, verteilte.
Mit welchem Aufwand Hochzeiten auf dem Land gefeiert wurden, verdeutlicht eine Quelle aus dem
Jahr 1847. Erzherzog Johann führte damals in seinen innerösterreichischen Landen eine Umfrage
durch und bat um „Schilderung der Gebräuche und Gewohnheiten bei häuslichen Vorfällen,
Kindstaufen, Hochzeiten, Begräbnissen“ etc. Aus Waldegg erhielt er folgenden Bericht über ein
Hochzeitsmahl. Die Gäste hatten bereits üppig gefrühstückt – Suppe, Fleisch, Braten, Brot, Wein –, im
Wirtshaus Brot und Wein zu sich genommen und waren etwa gegen 18 Uhr „unter Musik zum
Hochzeitshause gezogen“:
„Hierauf begann das Speisen selbst, wobey folgende Speisenreihe beachtet wird.
1. Suppe mit eingekochten Nudeln oder Reis
2. Rindfleisch mit gekochten und grünen Krenn
3. Sauerkraut mit geselchten Schweinfleisch und gebakene
4. Einen oder zwey Kalbsköpfe