Page 51 - Brot backen - wie es nur noch wenige können
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5.    Eingemachtes Kölbernes, oder eingemachte Händeln mit Butterpastätten
  6.    Eine süße Mehlspeise (Koch)
  7.    panferkeln mit gedünsteten Kraut, wenn es welche gibt
  8.    Lungenbraten mit Sauce, oder Haasen mit Sauce, wenn letztere zu haben sind
  9.    Schweinernen Braten mit Zwetschkenpfeffer
  10. Kalbsbraten mit grünen sauern Salat
  11. Gebratene Kapäuner, Händeln, Enten und Gänse mit süßen Salat – wie die Jahreszeit es gibt
  12. Butter=Germ=Spagatkrapfen,  Schneeballen,  Hollerhippen,  mehrere  Gattungen,  Kugelgupfe,

        Biskoten=und Germtorten dann Stutzen

  Von  den  Speisen  Nr.  12  wird  sehr  wenig  gezehrt,  sondern  beym  Fortgehen  wird  hievon  jedem
  Hochzeitsgaste von dem neuen Ehepaare eine Parthie jeder Gattung als Bescheidessen mit nach Hause
  gegeben.“

  Zwölf  Gänge!  Davon  neun  mit  Fleisch  oder  Geflügel  –  welcher  moderne  Magen  würde  das
  aushalten? Interessant ist die Rolle, die das Brot spielt: Der Chronist erwähnt, dass es bei reicheren
  Bauern am Hochzeitstag Semmeln zum Frühstück gab, ärmere reichten Brot. Dass der Berichterstatter
  dem Brot in dieser singulären Beschreibung eine derart stiefmütterliche Rolle zuweist, darf nicht zu
  falschen Schlüssen führen. Brot als Hochzeitsgebäck spielte in allen Regionen eine wichtige Rolle,
  früher wurde es im Haus der Braut gebacken und durfte nur vom Bräutigam angeschnitten werden.
  Das „Scherzl“ wurde aufgehoben, so war sichergestellt, dass das Brot im Haus der frisch Vermählten
  nie ausging.
     Eine wichtige Rolle im Hochzeitsbrauchtum spielen Beugel, auch „Ba“ genannt. Die bürgerliche
  Küche  kennt  sie  in  Kipferlform,  in  der  bäuerlichen  Küche  wurden  sie  ringförmig  als  Salzgebäck

  gefertigt.  In  Niederösterreich  und  dem  Burgenland  hat  der  süße  Brautba  Tradition.  Hier  war  es
  Brauch, der Braut und den Kranzljungfrauen Beugel zu übergeben, die sie nach dem Kirchgang unter
  die Zuschauer und Gäste warfen. Die rauften sich um das Gebäck – wer das größte Stück erlangte,
  konnte  das  ganze  Jahr  über  mit  Glück  rechnen.  Im  Burgenland  überreichte  die  Brautmutter  dem
  jungen  Paar  einen  Riesenbeugel,  den  die  frisch  Vermählten  auseinander  reißen  mussten  –  wer  das
  größere Stück ergatterte, hatte das Sagen im Haus. Bei Hochzeiten war es in vielen Regionen auch
  üblich, Brote und Gebäcke an Mitglieder der dörflichen Gemeinschaft zu verschenken (Austeilbrote).
  Das Brautpaar selbst erhielt oft Gebildbrote in Form eines Wickelkinds oder einer Wiege – da alles
  Leben von Korn und Brot abhängt, ist es nur naheliegend, im Brot auch ein Fruchtbarkeitssymbol zu
  sehen.
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