Page 94 - Brot backen - wie es nur noch wenige können
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Einkauf nach.
     Das Arbeitsgerät, an dem er eigentlich tagein, tagaus daheim ist, steht ein paar Meter weiter, hinter
  der Tür zur benachbarten Backstube: der Bäckertisch.
     Fritz Potocnik ist Bäckermeister in der Waldviertler Marktgemeinde Vitis, wenige Kilometer von
  der Bezirkshauptstadt Waidhofen an der Thaya entfernt, einem Fluss, an dessen Verlauf sich heute
  Nationalparks und Naturschutzgebiete finden. Und an dem über die Jahrhunderte zahlreiche Mühlen
  klapperten. Manche tun das bis heute, sind kleine Kraftwerke geworden, die, wenn es der Wasserstand
  zulässt, Strom produzieren. Die Bäcker in der Gegend sind dafür selten geworden, auch wenn sich

  mancher Familienbetrieb noch tapfer hält.
     Der Fritz ist ein „Zuagraster“. Er hat sich vor einigen Jahren mit seinem Betrieb „Bio Troad“ hier
  niedergelassen und neu begonnen. Er ist ein Bäcker mit Leib und Seele, wie man so schön sagt. Aber
  auch mit Hand, Herz und Hirn. Mit der Lebenserfahrung heftiger Niederlagen ebenso wie schöner
  Erfolge,  mit  unverbesserlicher  Neugier  und  obendrauf  noch  mit  einer  Menge  Freud  an  einer  gut
  erzählten G’schicht.







































  WAS DAS MEHL WILL

  Wenn er zu reden beginnt, wird’s ruhig rundum. Nicht nur, weil die Stimme des Meisters weit trägt.
  Und  sich  dann  so  manche  exakte  Anweisung  vernehmlich  selbst  über  den  monotonen  Klang  der
  Rührwerke oder das Surren der Luftgebläse der Backöfen erhebt. Auch weil er Geschichten erzählt,

  die man gerne hört. Selbst wenn sie fast wie aus einer anderen Welt klingen.
     Geschichten  von  seiner  Lehrzeit  in  Kärnten  etwa,  geprägt  durch  gestrenge  Hierarchien  und  alte
  Lehrmeister  mit  großem  Durst  sowie  ebensolchem  Fachwissen.  Vom  Teigmischen  in  den  alten
  „Multas“,  wo  gut  150  Kilo  allein  mit  Kraft  der  Hände  durchgearbeitet  werden  wollten.  Von  16-
  Stunden-Arbeitstagen, die mit dem Schaufeln der Kohle für die Öfen endeten. Oder vom G’spür, das
  es braucht, um zu sehen, was das Mehl einem sagen will. Immer aber sind es auch Geschichten von
  der großen Begeisterung für das, was er tut: Brotbacken. Nicht mehr und nicht weniger.
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