Page 97 - Brot backen - wie es nur noch wenige können
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VON DER ALTEN ART
„Es ist nichts Besonderes“, sagt der Fritz, Brot-Mastermind hinter dem Projekt Joseph, dann gerne.
„Meine Art der Bäckerei ist eine sehr alte.“ Aber vermutlich ist das gerade das Außergewöhnliche
daran. Ein Brot wie zu Großmutters Zeiten: Mehl, Wasser, Salz, Gewürze, Sauerteig, dann und wann
Hefe, und die Zutaten samt und sonders unbehandelt sowie naturbelassen. Dass der Fritz darüber
hinaus ausschließlich Bio-Produkte verwendet, hat ebenfalls so seine Geschichte. Sie hat (auch) mit
seinem Nachbarn zu tun, einem Waldviertler Bauern, der ihm Respekt und Achtsamkeit der Natur
gegenüber so sehr vermittelt hat, dass der Fritz heute eigentlich keinen anderen Weg mehr gehen will.
Womit wir bei einem Thema angekommen wären, das tatsächlich die Basis des Ganzen darstellt:
Getreide und Mehl. Letzteres ist selbstverständlich Chefsache. 27 Tonnen sind es, die hier Woche für
Woche verarbeitet werden: Dinkel und Weizen, Roggen, Buchweizen oder Gerste. Kommt eine neue
Lieferung im Betrieb an – und der Fritz hat da ganz klare Qualitätsvorgaben –, dann ist einmal der
Chef an der Reihe. Jede Charge wird anfangs von ihm persönlich verarbeitet, dann gleicht er die
Rezepturen entsprechend an. Mehl ist ein lebendiges Produkt, das immer anders reagiert, und darauf
nimmt der Bäckermeister Rücksicht. Wie das geht? „Ich seh das“, schmunzelt er.
„Mehl“, stellt er fest, als wäre es das einfachste der Welt, „ist ein toller Partner, der mir sagt, was
ich tun soll.“ Wie viel Wasser es braucht, um sich optimal zu einem geschmeidigen Teig zu
verbinden, wie viel Knetzeit, wie viel Ruhe. Und nebenbei bemerkt er: „Zeit ist ein ganz
entscheidender Faktor in meinem Beruf: Das Mehl muss lagern, aber auch der Teig muss ruhen. Der
Kleber baut sich auf und bildet das Gerüst. Dann muss der Teig sich entspannen und reifen. Der
Vorteig bringt die Essenzen, aber die sollen ja im Gesamtteig expandieren.“
Fritz Potocnik verarbeitet dazu nur Mehl, das bereits mehrere Wochen Zeit hatte, nach dem
Vermahlen abzuliegen. Das sei auch immer schon eine alte Bäckerweisheit gewesen: Mehl komme
nach vier Wochen zur Ruhe. Und so ist es tatsächlich: „Man muss sich das nur vorstellen“, sagt er,
„beim Mahlen wird’s gequetscht, geschleudert und gestresst, und danach geht erst einmal gar nichts.
Ich hätt da auch keinen Kopf für irgendwas“, scherzt er dazu. Frisch vermahlenes Mehl nimmt auch
etwa 30 Prozent weniger Wasser auf, und Flüssigkeit ist für den Teig ganz entscheidend. Das Wasser
bewirkt, dass der Teig beim Backen aufgeht. Ist es zu wenig, wird das Brot zu fest. Also darf das Mehl
beim Fritz ruhen und sich entspannen. Bis es bereit ist, zu Brot zu werden.
Und der Meister gibt sein Wissen auch gern und bereitwillig weiter. Dann und wann veranstaltet er
Backworkshops für Wissbegierige, auch Fachkollegen sind jederzeit bei ihm willkommen. Er berät
andere Bäcker und man hat das Gefühl, dass er am liebsten alle anstecken möchte. Mit seiner
Begeisterung fürs Backen, fürs Brotmachen, fürs Arbeiten mit einem lebendigen Material.
„Weißt du, warum ich im Frühjahr und Herbst die meiste Arbeit hab?“, fragt er und setzt die
Antwort gleich hinterher. „Getreide will um diese Jahreszeit keimen! Das ist sein genetisches
Programm, selbst wenn es dann bereits zu Mehl vermahlen ist. Es weiß ja nicht, dass es kein Körndl
mehr ist!“ Und dann lassen sich die Wecken und Semmerln eben schwerer dazu überreden, die
richtige Form anzunehmen. Es sei denn, man höre ihnen zu beziehungsweise könne verstehen, was
das Mehl denn so wolle.
Und so ungewohnt das in den Ohren klingen mag, man glaubt es gerne. Ebenso wenn er erläutert,
wozu das Kneten wichtig sei. „Das bringt Energie in den Teig! Und das ist jetzt nix Esoterisches, es ist
die Wahrheit.“ Dieser Schritt folgt nach dem ersten Mischen oder Verrühren der Zutaten. Es braucht
Zeit und Erfahrung, um es gut hinzukriegen. Und der wichtigste Rat für alle, die sich selbst daran
versuchen wollen, ist: nicht entmutigen lassen, probieren und wenn möglich einem Könner
zuschauen. Auch das Hausbrot vergangener Tage war vermutlich nicht von heute auf morgen perfekt
und brauchte Zeit sowie Anleitung. Bis die junge Bäuerin das Handwerk von der Mutter gelernt hatte,