Page 182 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
P. 182

176  Kapitel 6  •  Materielles Recht und Rechtsschutz in der EU


                                  in den Gemeinden. Aktiv bedeutet das Recht zu wählen, passiv
                                  heißt gewählt zu werden. Das BVerfG hatte einst das Kommu-
                                  nalwahlrecht für Ausländer für nicht mit dem GG vereinbar
   2                              erklärt (BVerfGE 83, 37), da der Volksbegriff des Art. 28 I GG
                                  mit dem des Art. 20 GG identisch sei und das Staatsvolk der
                                  Bundesrepublik im Sinne des Art. 116 GG bedeute. Davon sind
                                  Ausländer nicht erfasst. Demgemäß musste für das Inkraft-
                                  treten des Maastrichter Vertrages das GG geändert werden.
                                  Art. 28 I 3 GG stellt jetzt klar, dass auch EG-Ausländern das
                                  kommunale Wahlrecht zukommt.


                                     Art. 22 AEUV – Wahlrecht
   6                                 (1) Jeder Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat,
                                     dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, hat in dem
                                     Mitgliedstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, das aktive und
                                     passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen, wobei für ihn dieselben
                                     Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des betreffenden
                                     Mitgliedstaats. […]



          Kommunalwahlrichtlinie  Die Einzelheiten sind in der Kommunalwahlrichtlinie (ABl.
                                  1994L 368/38) näher ausgestaltet worden. Die darin enthal-
                                  tene Möglichkeit, das passive Wahlrecht ausländischer Uni-
                                  onsbürgern bei Wahlen zu bestimmten Exekutivämtern wie
   2                              dem Ersten Bürgermeister einzuschränken, steht im Einklang
                                  mit dem Primärrecht (instruktiv zur bayerischen Rechtslage:
                                  VG Ansbach, BayVBl. 1998, 346; BayVerfGH, NVwZ 1998, 54;
   2                              BVerfG, NVwZ 1998, 52; BVerfG NVwZ 1999, 293).
          Wahlen zum EP              Abs. 2 legt fest, dass jeder Unionsbürger aktiv und passiv
   2                              das Wahlrecht für die Wahlen zum Europäischen Parlament
                                  hat. Konkretisiert wird auch dies durch eine Richtlinie (ABl.
                                  2013L 26/27). Zum Wahlrecht in Deutschland ▶ Abschn. 4.5.1.
   2      Weitere Rechte             Art. 23 AEUV regelt den diplomatischen und konsulari-
          Kein subjektives Recht auf   schen Schutz der Unionsbürger in Drittstaaten. Hat ein Uni-
   2      diplomatischen Schutz   onsland keine Botschaft oder kein Konsulat in einem Drittland,
                                  so sind dort befindliche Botschaften oder Konsulate anderer
   2                              Unionsstaaten für den diplomatischen bzw. konsularischen
                                  Schutz verantwortlich. Dieser wird z. B. bei Völkerrechtsver-
                                  letzungen des Drittlandes gegenüber einem Unionsbürger (di-
   2                              plomatisch) oder ganz allgemein in Form der Unterstützung,
                                  Interessenvertretung und Beratung (konsularisch) gewährt.
   2                              Details sind nunmehr in der RL 2015/637 (ABl. 2015L 106/1)
                                  über Koordinierungs- und Kooperationsmaßnahmen zur Er-
                                  leichterung des konsularischen Schutzes von nicht vertretenen
   2                              Unionsbürgern in Drittländern geregelt.
                                     Der Schutz der Unionsbürger nach Art. 23 AEUV gibt
                                  ihnen allerdings kein subjektives Recht, welches sie etwa ge-
   177   178   179   180   181   182   183   184   185   186   187