Page 302 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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8.2 • Fall: „Rückforderung von Beihilfen“
zahlte sie aus. Daraufhin schrieb die Kommission 1983 an die Bundes-
regierung, dass die Gewährung der Beihilfe unzulässig gewesen sei.
Die Gewährung verstoße gegen 108 III AEUV und die Auszahlung sei
mit Art. 107 AEUV unvereinbar. Die Kommission ordnete die Rückfor-
derung der Beihilfe an. Im Jahre 1986 teilte die Bundesregierung der
Kommission mit, dass eine Rückforderung wegen des Grundsatzes
des Vertrauensschutzes unmöglich sei. 1987 erhob dann die Kom-
mission Klage wegen einer Vertragsverletzung (Art. 258 AEUV), wel-
cher vom EuGH stattgegeben wurde (Alcan I, Slg. 1989, 175). Sodann
nahm das Land Rheinland-Pfalz im Jahre 1989 den Bescheid über
die Gewährung der Beihilfe zurück und verlangte von A per Bescheid
die Rückzahlung der 8 Mio. DM. Dagegen ging nun A gerichtlich vor,
indem es das Verwaltungsgericht anrief. Ihrer Ansicht nach verstößt
die Rücknahme gegen § 48 VwVfG/Rheinland-Pfalz (Der Wortlaut
des § 48 VwVfG ist identisch mit dem des § 48 VwVfG des Bundes.).
A macht geltend, das Geld bereits verbraucht zu haben. Zusätzlich
verstoße die Rücknahme durch eine Behörde, die die Rechtswidrigkeit
des Bescheides selbst veranlasst habe, gegen den Grundsatz von Treu
und Glauben. Letztlich sei auch die Rücknahmefrist des § 48 IV VwVfG
schon lange überschritten.
Wie wird das VG entscheiden?
Lösungsvorschlag
Das VG wird der Klage der A stattgeben, wenn sie zulässig und
begründet ist.
A. Zulässigkeit
Dann müsste die Klage zuerst die Zulässigkeitsvoraussetzungen
erfüllen.
I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, § 40 I 1 VwGO
Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet, wenn es sich um eine Öffentlich-rechtliche Strei-
öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art tigkeit
handelt. Eine Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich, wenn die streit- Nichtverfassungsrechtlicher
entscheidende Norm dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist (Son- Art
derrechtstheorie oder mod. Subjekttheorie). Das ist der Fall, wenn
Berechtigter oder Verpflichteter ein Träger öffentlichen Rechts ist.
Die streitentscheidende Norm ist § 48 VwVfG, welche staatliches
Sonderrecht darstellt, so dass sie dem öffentlichen Recht zuzuord-
nen ist. Eine Streitigkeit ist nichtverfassungsrechtlich, wenn nicht
ausschließlich Verfassungsorgane um ihre Rechte und Pflichten
aus der Verfassung streiten (keine doppelte Verfassungsunmit-
telbarkeit). Das ist vorliegend der Fall, da die Firma A kein Verfas-
sungsorgan ist. Demnach ist der Verwaltungsrechtsweg nach der
Generalklausel des § 40 I 1 VwGO eröffnet.
II. Statthafte Klageart
Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Begehren des Klä-
gers, § 88 VwGO. A begehrt die Aufhebung des Rückforderungs-
bescheides. Für dieses Begehren könnte die Anfechtungsklage
die statthafte Klageart sein. Das ist laut § 42 I 1. Fall VwGO der