Page 309 - Europarecht Schnell erfasst Auflage 5 (+13.01.2017)
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304  Kapitel 8  •  Klausurfall


                                  auszulegen, dass das dort genannte „öffentliche Interesse“
                                  auch das Unionsinteresse an einer einheitlichen und effek-
                                  tiven Rechtsanwendung umfasst. Die anderen vertretenen
   2                              Auffassungen  schaffen  unnötige  Anwendungsprobleme  im
                                  Rahmen des § 80 VwGO, indem sie entgegen dem Wortlaut
                                  der Vorschrift entweder von einem ungeschriebenen Anord-
                                  nungsgrund der Erfüllung gemeinschaftsrechtlicher Pflichten
                                  ausgehen oder Rechtsbehelfen keinen automatischen Suspen-
                                  siveffekt mehr zukommen lassen wollen.


                                  8.3.4  Einstweiliger Rechtsschutz
                                        im Verwaltungsverfahren


                                  Eine weitere Besonderheit bei der Anwendung deutschen Ver-
                                  waltungsprozessrechts ergibt sich in den Verfahren des einst-
                                  weiligen Rechtsschutzes der VwGO. Verwaltungsgerichte müs-
   8                              sen vorläufigen Rechtsschutz gewähren, wenn eine nationale
                                  Regelung gegen das Unionsrecht verstößt.
                                  8.3.4.1  Anordnung/Wiederherstellung
                                         der aufschiebenden Wirkung, § 80 V
                                         VwGO
                                  Die Entscheidung nach § 80 V VwGO bewirkt, dass die auf-
   2                              schiebende Wirkung eines Rechtsmittels angeordnet oder
                                  wiederhergestellt wird. Danach wird der zugrunde liegende
                                  Verwaltungsakt vorübergehend nicht vollzogen. Der EuGH hat
   2                              in einer wichtigen Entscheidung (Zuckerfabrik Süderdithmar-
                                  schen, Slg. 1991, I-415) klargestellt, dass ein nationales Gericht
                                  einen Verwaltungsakt nicht vollziehen muss, wenn
   2                              -   es erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der zu-

   2                              -  grunde liegenden Unionsnorm hat und es dem EuGH die
                                     Frage der Gültigkeit nach Art. 267 AEUV vorgelegt hat,
   2                              -   dem Antragsteller ferner ein schwerer und nicht wieder-
                                     gutzumachender Schaden droht
                                      und es das Interesse der Union an einer einheitlichen
   2                                 Rechtsanwendung berücksichtigt.

                                  Diese Kriterien sind kumulativ und orientieren sich an denen,
   2                              die nach Art. 278 S. 2, 279 AEUV für den Erlass einer einstwei-
                                  ligen Anordnung durch den EuGH notwendig sind.
   2                              8.3.4.2  Einstweilige Anordnung

                                         nach § 123 VwGO
   2                              Der Gerichtshof hat die oben erwähnten Grundsätze auch in
                                  dem Verfahren nach § 123 VwGO für anwendbar erklärt (At-
                                  lanta, Slg. 1995, I-3761).
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