Page 191 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Die Entstehung der ersten Wortbedeutungen beim Kinde. 179
entsprechenden Ausdrucksbewegungen an den ei-wachsenen Personen
die entsprechenden Gemüthsbewegungen beim Kinde eintreten. (Es
ist bekannt, dass Kinder Gebärden und Contractionen der Gesichts-
musculatur, die sie mit ihrem Blick niemals controllirt haben, richtig
nachmachen.) Man kann die Bedeutung jener Dressurversuche und
Aufforderungen für das erwachende Sprachverständniss des Kindes
vielleicht folgendermaßen zusammenfassen: Sie vermitteln dem Kinde
1. an einem einfacheren Falle, als ihn die Lautsprache darstellt,
das Verständniss für die Function der Bezeichnung, des Aus-
drucks und der Mittheilung, welche später die Sprache zu über-
nehmen hat. Sie erschließen 2. dem Kinde außer der associativ
intellectuellen auch die emotionelle und voUtionale Seite der Sprache
des Erwachsenen.
Es bleibt die Frage zu beantworten, ob die intellectuelle Seite
des Sprachverständnisses, die sich bei diesen Versuchen und Auf-
forderungen der Erwachsenen entwickelt, sich über den Charakter
einer ganz primitiven associativ-suggestiven Stufe erhebt? Wir
können den Beweis dafür erbringen, dass sie das jedenfalls an-
fangs nicht thut. Jene Versuche verrathen vielmehr, dass es sich
hierbei ebenfalls zunächst um eine ganz mechanische Einübung
gewisser Associationen von Lauten (dem Commando der Er-
wachsenen) und Bewegungen des Blindes handelt. Der Beweis
liegt in solchen Versuchen, wie sie zuerst von Frey er veranstaltet
worden sind, indem er statt der vollständigen Aufforderung nur
einen dominirenden Vocal dem Kinde zurief. So konnte Frey er
statt der Aufforderung: >Wie groß ist das Kind?« auch einfach
rufen: >gi'oß« oder bloß »oo«, dann folgte die Bewegung ebenso
wie vorher. Dieser Versuch zeigt, wie wenig dabei von Sprachver-
ständniss die Eede sein kann. Ein Kind, das die Sprache des
Erwachsenen versteht, würde durch eine solche Veränderung der
Aufforderung gestört worden sein. Was sich hier abspielt, ist
einfach die mechanische Auslösung einer eingeübten Bewegung durch
den dominii'enden Vocal der Aufforderung. Es handelt sich hier
also um eine rein associativ-suggestive Stufe des Sprach-
verständnisses, soweit man seine intellectuelle Seite ins Auge fasst.
Aehnlich diesem Versuche von Frey er sind Beobachtungen, die
Lindner an seinem Knaben machte. Dem Knaben war die spielende
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