Page 196 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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E. Meumann,
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     bination, die etwa mit Äö-ä (Ton auf dem zweiten ä) wieder gegeben
     werden kann.   Diese drückte  alle Erregungen  seines Gemüths und
     Willens aus, sowohl Begehren   als Abweisung, Bejahung und Ver-
     neinung, Freude über erfüllte und Aerger über nicht erfüllte Wünsche.
     Solche Worte erwecken den Schein,    eine Fülle  verschiedenartiger
     Gegenstände zu bezeichnen,  sind aber weder »Bezeichnungen« noch
      > gegenständlich«, sondern Ausdruck der Gefühle und Begehrungen.
     Neben diesen reinen Wunschworten stehen solche, die ein Minimum
     von Gegenstandsbezeichnung enthalten, die aber im Sinne des Kindes
     nur die emotionelle Seite (sozusagen den      affectionellen Werth
     des Gegenstandes) ausdrücken.  Bei ihnen nimmt das Wort zugleich
     schon etwas vom bezeichnenden Charakter an.    Ein Kind Eduard
      Schultes bezeichnete mit >huta«   alle Kopfbedeckungen und   alle
      Kannendeckel, aber mit huta wurde auch der Wunsch ausgedrückt,
      Gegenstände, auf die das Kind hinzeigte, zu haben.  »Es setzte und
      legte sich nämlich gern  allerlei Dinge,  die ihm gefielen,  als  huta
      auf den Kopf.   Aus dem huta = ich möchte das      als Hut haben
      wurde dann nach häufigen Wiederholungen »Ich möchte das haben«
      (Frey er 299).  Frey er deutet diesen Fall  so,  dass hierbei  eine
      Erweiterung eines anfangs engeren Begriffs stattfindet.  An diesem
      Beispiel  ist nun  zweierlei  sehr  merkwürdig:  1.  dass  das Kind
      scheinbar  ganz verschiedenartige Dinge  mit demselben Worte be-
      zeichnet:  die Kopfbedeckungen und Kannendeckel   einerseits, aber
      auch den Wunsch >Ich möchte etwas haben«     ;  2. dass  sich  dieser
      speciellere Wunsch (etwas  als Hut zu besitzen) zu der allgemeinen
      Wunschbezeichnung erweitert.  Allein diese beiden auffallenden Um-
      stände und der ganze Schein einer Bezeichnung heterogener Dinge
      mit demselben Worte verschwindet, wenn man beachtet,    dass huta
      nie etwas anderes gewesen  ist als ein Wunschwort.  Es bezeichnete
      ursprünglich nicht das Object den Hut, sondern den Wunsch »Ich
      möchte den Hut haben«.   Das Kind hat also wahrscheinlich niemals
      den Hut als Gegenstand bezeichnet, sondern immer nur seinen Wunsch
      nach dem Besitze desselben ausgedrückt, es hat den ganz bestimmten,
      immer gleichen Wunsch geäußert, Dinge zu haben,    die  es  als Hut
      auf den Kopf legen oder setzen kann.   Bei dieser Auffassung ver-
      schwindet  also  jener  räthselhafte Bedeutungswandel  vollkommen;
      denn es ist sehr leicht verständlich , dass nun das specielle Wunsch-
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