Page 201 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Die Entstehung der ersten Wortbedeutungen beim Kinde. 189
Stellungen, die Dewey nach eigner Beobachtung von zwei Kindern
machte. Bei dem einen dieser Kinder, das mit zwölf Monaten über
siebzehn Wörter verfügte, bedeutet door, das immer von Bewegungen
des Greifens oder Langens nach etwas begleitet wird(!; : »Mache die
Thür auf«; hottle, Flasche, heißt »Ich will trinken«. Ein solches
"Wort ist ein »nominal-adjectiv-verbaler Complex« von überwiegendem
Verbalcharakter.
Schon Dewey hat daher, allerdings in speciellerem grammatischen
Interesse, hervorgehoben, dass der eigentliche Sinn der ersten Worte
des Kindes nicht der gegenständliche, sondern der verbale oder active
sei: Ich will etwas haben oder etwas gebrauchen. Diese Beziehung
zu seiner Thätigkeit macht für das Kind die Bedeutung des Wortes
aus. Ein Wort wie Ball wird angewendet auf den Mond, eine Orange,
endlich überhaupt auf jedes runde Ding, das den Wunsch in ihm
einweckt, damit zu spielen. Nach Dewey ist die erste Sprachstufe
des Kindes grammatisch zu bezeichnen als die verbal-interjectionale
Sprachstufe.
Dieser Charakter der äußeren Sprachform ist nach meiner
Ansicht eine Wirkung der von mii* soeben beschriebenen Art der
inneren Sprachform, die anfangs bei dem Kinde vorherrscht: der
emotionell-volitionalen. Die gleiche Thatsache wird auch noch durch
das ungeheure Uebei'wiegen der Verba in dem Sprechen des Kindes
erläutert (vgl. die Gebrauchsstatistik der kindlichen Worte von Gale,
S. 101 u. f.).
Was endlich die allgemeine geistige Entwicklung des Kindes be-
trifft, so fällt allen Kinderbeobachtern das Ueberwiegen der Wünsche
und Begehrungen des Kindes dieser Entwicklungsperiode über alle
übrigen Functionen auf. Die Welt seiner Wünsche und Begehmngen,
seiner Gefühle und Affecte ist anfangs seine Welt und nicht die
gegenständliche dem Intellect zugängliche Außenwelt. Wie sehr sich
das in der Sprache des Kindes äußert, tritt namentlich hervor in
den kindlichen Gesprächen, welche Gale nachgeschrieben hat. Sie
ergänzen die Statistik der beim Kinde vorhandenen Worte dui'ch
eine Gebrauchsstatistik. In diesen Gesprächen dominiren nun die
»Egoismusworte« ganz ungeheuer. Den Eigennamen Sammy sprach
das eine Kind Gale's an einem Tage 1057 Mal. Die »aggressiven
Wörter« i, W6, my sprach dasselbe Kind an einem Tage 970 Mal u. s.w.