Page 200 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
P. 200

jgg                        E. Meumann.

       die einfache Leistung, dass  es ein Wunschwort für ein bestimmtes
       Begehren jedesmal äußert, wenn dieses Begehren durch den Anblick
       jener Objecte geweckt wird?  Bei demselben Kinde war »^am« das
       allgemeine Wunschwort für etwas essen und trinken wollen (S. 291),
       ferner  ^ona, ona«  der Ausdruck dafür, dass etwas Essbares seine
       Begierde reizte  u.  s. w.  Genau dasselbe  tritt hervor bei den ersten
       "Worten,  die Taine's Mädchen  sprach.  Es begann   seine Sprache
       mit den Lallworten  y>iMpa<s. und  *ten<^, papa wurde zuerst spielend
       hervorgebracht,  entwickelte  sich dann aber allmählich zur Bezeich-
       nung  der Erwartung und    des Suchens nach dem Vater.    "Wahr-
       scheinlich bezeichnet es nur dieses Begehren und Erwarten, während
       Taine ihm   die  gegenständliche Bezeichnung  einfach  unterschiebt
       (S. 287).  In ähnlicher Weise war das Wort ten ein sympathischer
      hinweisender Laut zur Bezeichnung: Sieh' da, gib acht, der in Folge
      dessen scheinbar    zur Benennung  aller möglichen Objecte dienen
      konnte, bzw. dem Anschein nach eine associative Beziehung zu sehr
      verschiedenartigen Dingen eingeht.
          Man muss noch hinzufügen, dass lange Zeit in der späteren Sprach-
      entwicklung des Kindes dieses starke Ueberwiegen der Gemüths- und
      Willensseite bei der Bezeichnung der Dinge  sich  erhält.  Die lehr-
      reichen Vocabularien und Kindesgespräche, welche Gale mittheilt,
      geben eine Fülle der besten Belege hierfür. Auch die ersten Fragen,
      welche Kinder zu äußern pflegen, sind fast immer Begehrungs- oder
      Wunschfragen.   (Gale, vgl. insbes.  S. 116.)
          Einen weiteren Beweis für den Wunschcharakter der ersten Worte
      des Kindes ergeben die Yocabularien und die Anfänge der kindlichen
      Grammatik.   John Dewey hat mit Eecht darauf aufmerksam ge-
      macht, dass in dieser Hinsicht die sonst sehr werthvoUen Vocabularien
      der  amerikanischen Psychologen   eine  Ergänzung  verdienen  (was
      übrigens auch Tracy nicht entgangen  ist). Was uns bei dem Kinde
      als  ein Substantiv oder Adjectiv erscheint,  ist seiner Verwendung
      nach oft die Bezeichnung eines Vorganges oder gar eine bloße Inter-
      jection, die ausschließlich Gemüthsbewegungen, insbesondere Erstaunen
      ausdrückt.  Damit hängt es ferner zusammen,   dass die Substantiva
      anfangs vorwiegend Vorgänge bezeichnen und nicht ruhende Dinge,
      und zwar speciell Vorgänge,  die zum Begehren des Kindes in Be-
      ziehung  stehen.  Außerordentlich  lehrreich  sind  die Zusammen-
   195   196   197   198   199   200   201   202   203   204   205