Page 282 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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270 Raoul Richter.
Relativität der Willensregungen, der Grefühle und der Empfindungen
gleichmäßig für die Unerkennbarkeit der Dinge ausgenutzt wird^),
ist uns eben so wenig mehr wie die alleinige Abhängigkeit der Ge-
fühle und Willensregungen von den Quahtäten der Empfindungen
etwas Neues (vgl. oben S. 263/64, 265). Höchstens verdient es noch
Erwähnung, dass auch die ästhetischen Werthschätzungen in die
realistischen Voraussetzungen mit hereingezogen werden, dass auch
die Variabilität in unserm ästhetischen Fühlen, welches das hässliche
Liebchen für blühend ausgibt 2), die Unerkennbarkeit der Dinge be-
weisen soll. Natürlich ist aber dieser ästhetisch-naive Realismus nur
ein Specialfall der auf die Objecto irgendwie übertragenen ReaHtät
von Gefühls- und WillensquaHtäten.
Und das Gleiche gilt vom fünften Tropus. So interessant dieser
wegen des Problems der Sinnestäuschungen, das er behandelt (im
Wasser gebrochenes Ruder u. s. w.), in anderer Beziehung ist, neue
Voraussetzungen oder wesentliche Bekräftigung alter bietet er nicht.
Denn der Schluss von den Sinnestäuschungen darauf, dass die Dinge
durch die Sinne nicht erkannt werden können, sagt in Betreff der
skeptischen Voraussetzungen über die Beschaffenheit dieser Dinge
nichts aus. Besonders deuthch kommt hier nur zum Ausdruck, dass die
schon von Demokrit und Plato streng gegen einander abgegrenzten
räumlichen und rein sinnhchen Qualitäten von der Skepsis, was
ReaHtäts- und Erkenntnisswerth angeht, ganz auf einer Linie be-
handelt werden. Die Täuschungen über Raumverhältnisse und über
Farben sind ihr gleichwerthig.
Die sechste Weise zeigt die realistischen Voraussetzungen in
stoisch-materialistischer Färbung. Die sinnlich gedachten Eigen-
schaften der Dinge an sich (wie Farbe, Ton, Geruch) werden von
uns nur vermischt mit dem Stoff des Mediums, das sie zwischen
Object und Subject zu passiren haben, und mit den Stoffen unsrer
Sinnesorgane aufgefasst: »Unsere eigene Farbe wird anders in heißer
1) P. I, 106 : >Für Kinder sind Bälle und Spielr'äder eine ernste Sache ; die
Vollkräftigen aber wählen sich anderes und anderes die Greise. Woraus sich
ergiebt, dass von denselben unterliegenden Dingen die Vorstellungen (yavxaolot)
verschieden sich gestalten auch je nach den verschiedenen Lebensaltern«.
2) P. I, 108, ebenda 109: airep v/jcpovxec ab^pd etvai Soxoü|Jiev, Taüxa i^kls [xe&uouoiv
oüx aloypa cpaivexat.