Page 283 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Die erkenntnisstheoretischen Voraussetziingen des griech. Skepticismus. 271
Luft gesehen, anders aber in der kalten, und wir vermöchten nicht
zu sagen, wie unsere Farbe an sich (t^ ^uasi) beschaffen ist, sondern
wie sie zusammen mit jeder von beiden geschaut wird« *). Daraus
erhellt, dass die Skepsis Farbe >an sich« voraussetzt, und sich die-
selbe an dieser Stelle nach Art der Luft in körperhcher "Weise ge-
dacht hat2). Einzig diese materialistische Nuancirung rechtfertigt
auch die Aufstellung dieses besonderen Tropus; denn ohne dieselbe
würde sich sein Lihalt ersichtlich mit dem des vorigen decken 3).
Wenig Neues bringt auch der siebente Tropus für unsere Zwecke.
Er schließt von den verschiedenen Vorstellungen, welche die Dinge
in ihren elementaren Bestandtheüen (Eauhheit der Sandkörner) und
in Verbindungen (Weichheit des Sandhaufens) hervorrufen, auf die
Unerkennbarkeit der Dinge. Besonders ausgibig werden dabei wieder
die biologisch-physiologischen Folgen, welche je nach den quan-
titativen Verhältnissen, in denen ein Ding auf uns wirkt, verschieden
sind, zum Beleg der Unerkennbarkeit herangezogen^) — eiue neue Be-
kräftigung der Auffassung von den naiv-realistischen Voraussetzungen
dieser Philosophie.
Eben so wenig gibt uns der achte Tropus von der Relativität
der sinnlichen Wahrnehmungen als eine Zusammenfassung aller
übrigen 5) neue Aufschlüsse oder wesentliche Belehrung in der ge-
suchten Richtung.
1) P. 1, 125.
2) Deutlich auch bei Diog. IX, 84, wo die Objecte wegen der Vermischung
mit Kälte und Wärme des Mediums nicht unverfälscht erscheinen. Vgl. auch
dass wir die Eigenschaften der Objecte deshalb so
das materialistische Bild (85),
wenig in ihrer Eigenart aus der Mischung loszulösen vermöchten, wie >das Oel
aus der Salbe«.
3) Am Schluss des Tropus wird sogar die Vermuthung aufgestellt, ob nicht
vielleicht der Denkstoff durch seine Zusätze schon jede sinnliche Wahmehmimg
trübe; »Kant's Gedanke des Aprioristischen materialistisch begründet«, wie
Pappenheim mit Recht bemerkt (Erläut. S. 55).
4) P. I, 131—133. Der "Wein, je nach der Quantität, in der er genossen wird,
stärkt oder entkräftet; ebenso die Nahrung und die Medicin. Während aber bei
S ext US diesen physiologischen Wirkungen die aus der quantitativen Zusammen-
setzung folgende Anomalie in den Sinnesempfindungen ebenbürtig zur Seite
tritt (die verschiedene Farbe der Ziegenhomelemente und des Homs als Ganzes u.s.w.),
stehen bei Diog. IX, 86 ausschließlich die von der Varietät der objectiven Folgen
hergenommenen Beispiele.
5) Am knappsten in der Formulirung bei Diog. IX, 88: aYvooota ouv ta
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