Page 287 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Die erkenntnisstheoretischen Voraussetzungen des griech. Skepticismus. 275
artigen Aeußerungen kennen würden, so wären drei zulässige Mög-
lichkeiten der Deutung vorhanden:
1) Die Skepsis nahm die Existenz für sich bestehender,
objectiver Werthe an, behauptete*) aber die ünerkennbar-
keit der Beschaffenheiten solcher Werthe.
2) Die Skepsis hielt die Existenz absoluter objectiver
Werthe für zweifelhaft und die Erkennbarkeit für aus-
geschlossen.
3) Die Skepsis hielt die Nichtexistenz absoluter Werthe
für erwiesen, darum selbstverständlich die Erkennbarkeit
solcher Werthe für ausgeschlossen.
Ich glaube nun nachweisen zu können, dass sich alle drei
Stadien in der skeptischen Ethik auffinden lassen, dass dadurch
bedeutende Schwankungen und Unklarheiten entstehen, und dass die
mittlere Ansicht bei Sextus die herrschende ist, der gegenüber die
erste und zweite mehr zurücktreten. Keiner dieser Standpunkte aber
ist in deuthchen und klaren Thesen von der Skepsis ausgesprochen
worden, auch nicht einmal vorübergehend, wie das z. B. mit der
Reahtät der den Sinneswahmehmungen zu Grunde Hegenden Dingen
an sich der Fall gewesen war — ein Bünweis mehr, dass -mr es hier
mit naiv gehegten, im Hintergrund des philosophischen Bewusstseins
hausenden Vorstellungen zu thun haben.
1) Von den genannten drei Auffassungen liefe ersichtlich die erste
den naiv-reaHstischen Voraussetzungen, welche der Theorie der sinn-
Hchen Wahrnehmungen zu Grunde lagen, völhg parallel. Es wird
in ihr eine unabhängig vom menschhchen Subject bestehende ReaHtät
vorausgesetzt und deren Erkennbarkeit dann auf Grund der ver-
schiedenen Vorstellungen über die Sache bezweifelt. Es wird uns
also nicht Wunder nehmen, wenn diese eben beschriebene Auffassung
von der Natur und der Erkennbarkeit der sittlichen Werthe dort zu
Tage tritt, wo es im besondem Interesse der Skepsis lag, Werth-
gegenstand und Wahrnehmungsgegenstand auf derselben Linie
zu behandeln. Dieses Interesse war ersichthch da vorhanden, wo
1) Dass die Ausdrücke >die Skepsis behauptete, hielt für ausgeschlossen«, u. s.w.
im skeptischen Sinne die Correctur durch einen, den Dogmatismus mildernden
Zusatz (oben S. 252) erfahren müssten, ist ebenso selbstverständlich, wie eine für
unsere Zwecke überflüssige Umständlichkeit.
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