Page 279 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Die erkenntnisstheoretischen Voraussetzungen des griech. Skepticismus. 267
Dinge nicht unmittelbar folgern ließ. So gibt denn Sextus den Um-
weg über die Empfindungen hier auf und schließt direct aus den
contradictorischen G-efühlstönen, die ein Ding erregt, auf die üner-
kennbarkeit des Dinges. Das kann er aber nur thun, wenn er vor-
aussetzt, dass dem Ding als solchem irgend ein bestimmter Gefühlston
der Lust und Unlust zukonmie, der dann freilich wegen der entgegen-
gesetzten Gefühlstöne, die sich an die verschiedenen Empfindungen
heften, nicht erkennbar ist. Und ganz naiv bricht sich denn allerdings
auch diese Voraussetzung von den Dingen an sich zukommenden
Gefühlen in den Sätzen Bahn: dass es vom Honig unmöghch sei zu
sagen, ob er lust- oder unlustvoll sei (irf^tepov t^8u doitv £?Xixpt-
vu)? T^ aYj8e<;i)), und ebensowenig vom Euphorbionharz (^(JTepov aXuirrfv
ioTiv e?Xixpiva)!; xoT? oa>iJ,aotv S^oov liri iauTou ^uoei t^ XuTcr^p<Jv *).
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Das letztere Beispiel nun, in welchem auf die objectiven "Wirkungen
des Euphorbions angespielt wird, leitet zu jenen andern über, in
denen die verschiedenen Gefühle, die das gleiche Ding in den
Sinneswahmehmungen verschiedener Gebiete erregt, durcheinander-
laufen mit den getrennten physiologischen nützlich-schädhchen Folge-
rungen, die dasselbe Ding, wiederum innerhalb der Bereiche der
einzelnen Sinnesorgane nach sich zieht 2). Und da aus ihnen allen
noch einmal der gleiche Schluss auf die Unerkennbarkeit der Dinge
gemacht wird, schöpfen wir auf's Neue Verdacht, die Skepsis möchte
in ihren naiv-reahstischen Voraussetzungen bisweilen so weit gegangen
sein, auch die physiologischen, lebenerhaltenden oder -vernichtenden
Wirkungen irgendwie schon als den Dingen an sich zukommend zu
denken. Aber unmittelbar neben dieser naivsten Voraussetzung über
die Beschaffenheit der Dinge an sich steht zugleich die vertiefteste
Reflexion, zu der es die Skepsis in dem nämlichen Problem überhaupt
gebracht hat 3). Sextus kommt nänüich noch einmal auf die ver-
schiedenen SinnesquaHtäten zu sprechen, nun aber nicht mehr auf
den Fall, in dem dieselben über die nämliche Eigenschaft des
1) P. I, 92/93.
2) Das Regenwasser ist den Augen nützlich, Luftröhre und Lunge macht
es rauh, ebenso wie das Oel, das der Oberhaut wohlthut. Auch bewirkt der
Zitterroche, an die Endglieder gelegt, Erstarrung, dem übrigen Körper bringt
man ihn ohne Beschwerde nahe. (P. I, 93).
3) P. I, 94—99.