Page 277 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Die erkenntnisstheoretischen Voraussetzungen des griech. Skepticisnms. 265
Werthqualitäten und deren Verhältniss zur sinnlichen Empfindung
weitere Aufschlüsse. Zunächst hen*scht in den Beispielen, welche
die Verschiedenartigkeit der cpavTaoiat beweisen sollen, wieder das
nämliche Durcheinander von Empfindung i), Gefühl, Willensreaction^),
physiologisch nützlich-schädlichen Folgen 3), wobei die letzteren drei
üeber
Gruppen gegenüber der ersten gewaltig bevorzugt werden *).
das Verhältniss von Empfindung, Gefühl, Wille erfahren wir folgendes
»an Verschiedenem sich zu freuen, ist ein Anzeichen davon, dass man
von den unterUegenden Dingen her unterschiedene Vorstellungen
empfängt« ^). Wie sich hier die Reduction der Gefühls- auf Empfin-
dungsdifferenzen, so vollzieht sich nun I, 87 die Zurückführung der
Wülensdifferenzen auf Gefühls- und damit indirect auf Empfindungs-
>da nun die Wahl und die Vermeidung in Lust und
unterschiede :
Unlust beschlossen ist, die Lust und Unlust aber auf Wahrnehmung
und Vorstellung beruht, so ist, wenn die Einen dasselbe wählen, was
die Anderen fliehen, folgerichtig für uns zu schließen, dass sie auch
nicht auf gleiche Weise von den nämhchen Dingen bewegt werden« *).
So wird hier wieder ebenso wie oben das Gefühl in unbestimmter
Art und mit demselben Ausdruck von der QuaHtät der Empfindung
abhängig gemacht, ohne doch ganz mit dieser zusammenzufallen (denn
es ist keine cpaviaaia, sondern beniht nur auf ihr), aber ohne auch
vöUig in subjective Reaction auf die objectiven Empfindungselemente
aufgelöst zu werden. Und ebenso unbestimmt, aber auch ebenso eng
1) Demophon fror in der Sonne, erwärmte sich im Schatten (82). Andren
Kaiser Tiberius sah im
aus Argos wanderte ohne Durst durch die Wüste (84).
Finstem (84). Aristoteles erwähnt einen Menschen mit Hallucinationen (ebd.).
2) Beides nicht zu trennen. Beispiele über Gefühle P. I, 80, beides durch
einander in den Citaten aus den Dichtem 86.
3) Zahlreiche Beispiele P. I, 81—84.
4) Die nämliche Vermengung auch bei Diog. IX, 80—81.
5) P. I, 80: TÖ oe oiacpopot? ^^aipsiv xoü rapTjXXaYP-eva; d~b töbv uTcoxeifievoov cpav-
xaoictc XafAßoveiv ^otI [jltjvutixov.
6) irzei ouv V) aipeoi? xoi "^ «puY"^ ^'^ "^Sov^g *ai dT]BtO|A(|) lotiv, -fi 8e
i?|BovT) xa\ & dT)8iO|j.Ö5ivoloftV)oei xeiTat xoi ^avtooiqt, oxav td o'jto ol (xev
olpöJvtai, ol 5e ^eü-^eosiv, dxoXouftov ^f*"» i~(ko'(i!^ea%ai , ort oü5e ijAOtoo? bizb x&v
aÜTÄv xtvoüvTat. Diog. IX, 80/81 weiß wieder von einer solchen Reduction von
Gefühl auf Empfindung, von Wille auf Gefühl nichts, sondern folgert aus der
Verschiedenheit in allen drei Gruppen immer direct die Unerkennbarkeit der
Dinge.