Page 273 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Die erkenntnisstheoretischen Voraussetzungen des griech. Skepticismus. 261
werden von Sextus oft neben- und durcheinander erwähnt^). Wir
wollen sie aber der Reihe nach betrachten.
m.
Die Voraussetzungen über die Natur der den Wahrnehmungen
zu Grunde liegenden Dinge enthüllen sich nun am deutHchsten in
der skeptischen Theorie der Sinneswahmehmung, wie sieAenesidem
in seinen berühmten Tropen entworfen und Sextus als festen Bestand
der Schule übernommen hat 2). Ich gehe die einzelnen Tropen auf
ihi'e erkenntnisstheoretischen Voraussetzungen über die näheren Be-
schaffenheiten der Dinge an sich in der von Sextus befolgten Rang-
ordnung der Reihe nach durch. Dagegen soll auf die Annahme vom
Dasein der Dinge an sich und der Passivität des Subjects als überall
diesen Tropen zu G-runde Hegende Ansichten nicht näher eingegangen
werden. Der erste Tropus bietet für die gesuchten Eigenschaften
noch keine Ausbeute; er lässt nur ahnen, in welcher Richtung diese
Eigenschaften zu suchen sind. Er schließt von der verschiedenen
Constitution des Körperbaus, speciell der Sinnesorgane bei den einzelnen
Lebewesen, dass die gleichen »Außendinge« ^j den einzelnen Indi-
viduen verschieden erscheinen werden; und, da es an einem Kriterium
für die Entscheidung fehlt, die cpav-aatat. welcher Lebewesen den
> so werden wir zwar zu sagen vermögen, wie von
Vorzug verdienen :
uns das UnterHegende angeschaut wird, wie es aber der Natur nach
ist, darüber werden wir an uns halten«*). Hier wird also aus der
Divergenz in den sinnlichen Wahrnehmungen der einzelnen Organismen
über den gleichen Gegenstand die Unerkennbarkeit dieses Gegen-
standes gefolgert. Dies wäre nun an sich noch ganz unverfängHch,
wenn nicht der begründende Zusatz, es sei unentscheidbar, welcher
sinnlichen Wahrnehmung der Vorzug gebühre (irpoxpivsiv), die Ver-
muthung nahe legte, dass eine dieser simüichen Wahrnehmungen im
Rechte sein müsse gegenüber den andern, und dass wir nur in Folge
1) P. I, 17, 23/24 u. a.
2) Ich lege die Tropen in der Darstellung des Sextus zu Grunde; der Be-
richt des Diogenes wird daneben zu berücksichtigen sein. Dagegen ist derjenige
bei Eusebius (Praep. ev. XTV, 18) in seiner rhapsodischen Art für unsere Zwecke
nicht verwerthbar.
3) P. I, 45. 4) Ebenda 59.