Page 271 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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         JHe erkenntnisstheoretischen Voraussetzungen des griech. Skepticismus.  259

    sie auch in naiv-realistischer "Weise unter Gleichsetzung des praeter
    nos mit dem extra nos xd Ixtäs uuoxsifieva   , xd  ixx6z^) genannt;
                                               i)
    seltener in ihrem Gegensatz zu den Erscheinungen ta  p.73  cpatv<Jp.£vo,
    -d  dcpav^3j_  Allen  diesen Ausdrücken  liegt  die gemeinsame An-
    schauungsweise zu Grunde, dass   die Dinge an sich das eigenthche
    Suhstrat der Erscheinungen büden, deren wahre Natur und eigent-
    Hches Wesen*) ausmachen, und dass, wie aus den zuletzt angezogenen
     Stellen hervorgeht,  dieses Wesen in der Richtung einer materiellen
    Außenwelt zu suchen   ist.  Aber noch weitere Bestimmungen über
    das Yerhältniss  der Dinge zu  ihren Erscheinungen  treten in den
    Schriften des Sextus  als unbewiesene und  kritiklos aus der zeitge-
    nössischen, besonders der stoischen Erkenntnisslehre herübergenom-
    mene Behauptungen uns     entgegen.  Durchgehends stoßen wir auf
    die Annahme, dass die Dinge an sich die Erscheinungen bewirken
    und zwar in der Weise, dass die vollständige Passivität des Sub-
    jects, welches  die Erscheinungen im Bewusstsein hat,   dabei zum
    Ausdruck gelangt.  Will sich der Skeptiker den Erscheinungen fügen,
    so  ist ihm das identisch mit Nachgeben an einen Zwang, dem er
    nicht widerstehen kann : »Den in Folge einer cpaviaota abgenöthigten
    Zuständen fügt sich der Skeptiker« ^) ; an einer andern Stelle werden
     die cpatvdixeva direct als >das in Folge einer cpaviaoia Erhttene, was
    uns willenlos zur Zustimmung zwingt«,  definirt^), und bald darauf
    wird noch einmal betont,   dass  das  cpatvofxsvov  in einem  dßouXYjTov
    Tzäboi'")  besteht.  Von den academischen Skeptikern trennten  sich
     die Pyrrhoniker auch in der Bestimmung,  dass, während jene »mit
    heftiger Zuneigung«  glaubten,  diese nur »gemäß dem Nachgeben,
     schlechtweg ohne Theilnahme« glaubten  s).  Da sie aber nur den Er-
     scheinungen glaubten, so ist die passive Seite an der Perception dieser
     damit gut beleuchtet.
        Bei den sinnlichen Erscheinungen wird dieser Vorgang gelegent-
    lich sogar recht  materiell gedacht.  Das  stoische Vorbüd  ist hier
     unverkennbar.  Der   das Erscheinende  aufnehmende   Gesichtssinn
        1) An ungezählten Stellen; Lieblingsausdruck des Sextus für die Dinge an
     sich bei der Darstellung der Aenesidem'schen Tropen.
        2) P. I, 99.    3) P. I, 182.
        4) Bezeichnender Weise wird für das »an sich« sowohl rpö;  ttjv  cpuotv  als
     ooov i-\ TW Xo^u) (P. I, 20) gebraucht.
               13.                                         8) P. I, 230.
        5) P. i,        6) Ebenda 19.     7) Ebenda 22.
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