Page 275 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Die erkenntnisstheoretischen Voraussetzungen des griech. Skepticismus.  263

      gebülire, so liegt der Verdacht nahe, die Skepsis habe sich die Dinge
      an sich auch mit Gefühls- und "Wülensqualitäten ausgerüstet gedacht.
      Dazu konunt noch ein   drittes Moment,  das Sextus mit der Be-
      sprechung der ebengenannten Eigenschaften   stets vermengt — die
      Nützlichkeit   oder Schädlichkeit,    der Werth oder Unwerth
      eines Dinges,  hauptsächlich  in  physiologischer Beziehung i).  Dass
      dabei abenteuerliche Vorstellungen walten, ist selbstverständlich.  Bei-
      spiele dafür bieten die angezogenen Paragraphen im ersten Tropus.
      Das Durcheinander gefühlsmäßiger, willensmäßiger und werthmäßiger
      Eigenschaften  erläutert der  Satz: was den Einen  lustvoll,  ist den
      Andern unlustvoll und  fliehenswerth und tödtlich  (56)2).  Yqu  ^U'
      diesen Bestandtheilen wird nur auf die Gefühlsquahtäten im Verlauf
      des ersten Tropus noch einmal eingegangen.  Allerdings in bemerkens-
      werther Weise; ihre Verschiedenheit  soll nämlich nicht unmittelbar,
      sondern erst mittelbar durch  die Verschiedenheit der cpavtaatai die
      Unerkennbarkeit  der Dinge  an sich darthun:  »wenn  die gleichen
      Dinge den Einen   unlustvoll,  den Andern  lustvoll sind, Lust und
      Unlust aber an der Vorstellung haften (ev cpavTaaia xettai), so werden
      den Lebewesen   die Vorstellungen  von den unterhegenden Dingen
      verschieden gegeben« 3).  Hier  scheint Lust und Unlust  als bloße
      Wirkungen  der Empfindungen   auf's Subject  gefasst und nur  auf
      quaHtative Unterschiede  in der Empfindung zurückgeführt zu  sein.
     Dann freilich würde ihre Variabiütät nur auf andersgeartete sinnHche
     Wahrnehmungen, und also nur indirect auf die Unerkennbarkeit der


         1) P. I, 55 ff. Das Oel nützt den Menschen — Wespen und Bienen tödtet es.
     Holzmaden bewirken beim Menschen Uebelkeiten und Leibschneiden — der Bär
     aber stärkt sich, indem er sie herunterleckt.  Die Viper erstarrt bei Berührung
     eines Buchenzweiges, die Fledermaus bei Berührung eines Platanenblattes, u. s. w.
         2) Das nämliche Durcheiaander auch  bei D i o g. IX, 79.  Hier wird  die
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     an die Spitze des ersten Tropus gesetzt imd dann  folgt  erst die Differenz der
      Sinnesempfindungen.  Für  diese Vermengung der Gesichtspunkte sind die Bei-
     spiele bei Diogenes am obigen Orte sehr lehrreich: so, wenn er in der Antithese
      essbar — nicht  essbar unter  diesen Ausdrücken sowohl den angenehmen und
     unangenehmen Geschmack (Gefühl) wie das Bittere imd Süße (Empfindung), das
     Bekömmliche  und Nichtbekömmliche  (objectiv- physiologische  Folge)  begreift.
     Die naive Gleichsetzung des objectiven \md subjectiven Standpunkts Hegt ja über-
     haupt in der Eigenart der antiken Philosophie.
         3) P. I, 58.
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