Page 270 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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258 ßaoul Richter.
Diese Annahme bleibt im Pyrrhonismus Voraussetzung. Das
Gregenbild der Erscheinungen, die Dinge an sich, werden gleichfalls
als bekannte und unanfechtbare Größen eingeführt, und mit nicht
minder lehrreichen, der peripatetischen und stoischen Terminologie
entnonunenen Worten bezeichnet. Sie sind das Unterliegende xa
uTToxsifisvai), das der Natur nach cpuost^) das wahrhaft Seiende
die Wirk-
ovToj? ovra^), das der Wirklichkeit nach xad' üudoraoiv ^),
Uchkeit selbst uTrap^K;^); sie sind das an sich xad' sauttJ^), sind
rein, unverfälscht ^j^iXüi?'), sJXixptvu)? s). G-anz besonders oft werden
zuständen aussagt, die auf keine Objecte, deren Erscheinungen sie sind, zurück-
weisen. Dieser Sinn des cpaivofxsvov tritt dann hauptsächlicli in der Kritik der
Vernunfterkenntnisse auf, bei denen von der Frage nach einem Gegenstand, dessen
Abbild sie wären, nicht die Rede sein kann, dagegen das Merkmal des unmittel-
bar oder mittelbar Einleuchtenden eine große Rolle spielt; so wird z. B. (P. II,
177) ein Beweis entweder »erscheinend« oder >nicht offenbar« sein müssen , d. h.
unmittelbar oder mittelbar begriffen werden (vgl. P. 11, 88—94, 124—129, III, 266).
Die drei Bedeutungen des cpatv6[j.evov , welche bei Sextus oft störend diirchein-
anderlaufen und besonders dadurch Verwirrung anrichten, dass sie sich weder
ganz zur Deckung bringen, noch ganz von einander trennen lassen, weil ihre
Sphären sich an einigen Punkten schneiden, werden am besten durch ihre logi-
schen Gregensätze erläutert: dem cpatvöfjievov als erscheinendem Bewusstseinsbild
eines Objects (auch eines ethischen, religiösen) steht das Ding an sich to uTioxei-
{xevov und seine Synonyma, dem cpaivöfxevov als oio&Trjxöv das vo6[jLevov oder vo7)t(5v,
und dem ^atvofxevov als Tcpdhriko^ das oSyjXov oder dcpav^c gegenüber. Die von uns
an erster Stelle besprochene Anwendung übersieht Pappenheim (Erläuterungen
zu Sextus Empiricus, Skeptische Grrundzüge, S. 4), Manchmal führt die zwei-
deutige Terminologie, welche, wie wir später sehen werden, sehr tiefe sachliche
Gründe hat, zu einer directen Quatemio terminorum — so z. B. P. I, 60, wo die
Unmöglichkeit des Beweises dadurch dargethan wird, dass der Beweis als cpaiv6-
{Aevov (= TrpöotjXov) von der Unwahrheit aller cpaiv6[A£va (= aio^rjTa) mitbetroffen
wird. — Noch eine Bemerkung zum Sprachgebrauch in dieser Arbeit: wir nehmen
den Ausdruck >Ding an sich« im Sinne von Ding, Object als eine unabhängig
vom Subject existirende Realität, Der moderne kritische Realist umgeht die
Worte »Ding an sich«, und sagt lieber schlechthin »Ding«, um die Kant 'sehe
Färbung eines außer Raum und Zeit gelagerten mystischen Etwas zu vermeiden.
Wir müssen aber, um uns im Rahmen der skeptischen Ausdrucksweise zu halten,
den Terminus »Ding an sich« für den hier umschriebenen Begriff verwenden.
1) Der allgemeinste und verbreitetste Ausdruck für die Dinge an sich bei
Sextus.
2) Auch T^ cpijoet, Ttpö; vip cpusiv, ooov ^Tit t:^ (füosi P. I, 78, 93, 27, 28, 30 u. a.
3) Diog. IX, 103. 4) Diog. IX, 91.
ö) P. I, 21, 134. 6) P. 1, 124 u. a.
7) P. I, 144, gleichbedeutend mit äroXuxuj; (135), äTiXa« (104).
8) P. I, 127.