Page 308 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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      völlig. Zwar wird es immer als der schlagendste Beweis für die er-
      kenntnisstheoretischen Grrenzen des Alterthums gelten können, dass
      auch das Extrem der antiken Kritik, dass die Skepsis sich von diesen
      Grenzen  nicht zu befreien vermochte, aber  es waren auch damals
      bereits kräftige Ansätze gemacht worden, in Ethik und Erkenntniss-
      theorie  die  einseitig realistischen Prämissen zu durchbrechen.  Von
      den  drei Möglichkeiten,  den Skepticismus gegen  die  sinnliche Er-
      kenntniss zu überwinden, deren jede  eine bestimmte Art der Auf-
      hebung der naiv- realistischen Voraussetzungen bedeutete, waren die
      beiden ersten bereits zur Zeit Pyrrho's angeschlagen worden.  Die
      Cyrenaiker hatten hier den extremen Idealismus vertreten und alle
      Empfindungen als rein subjective Zustände  (Tradyj) ohne Hinweis auf
      an sich bestehende Objecte aufgefasst^). Demokrit hatte den grund-
      sätzlichen Standpunkt des kritischen Realismus mit der Ansicht
      verkündet, dass alle sinnlichen Qualitäten rein subjectiven, die mathe-
      matisch-physikalischen Eigenschaften aber objectiven Bestand besäßen.
      Ja  selbst die Passivität des Subjects beim Zustandekommen der
      sinnHchen Wahrnehmung,    dieses ständige Element jedes extremen
      ßeahsmus, war schon in dem erkenntnisstheoretischen Apergu eines
      Protagoras und Empedokles von der »Gegenbewegung im Sub-
      ject« durchbrochen worden.  In der Ethik hatten die Sophisten die
      Anschauung mit nicht misszuverstehender Deuthchkeit verbreitet, dass
      subjectives  Belieben  des Einzelnen oder  der Masse  die  sittlichen
      "Werthe geschaffen habe.  In welchem Grade diese Richtungen einem
      Manne wie Sextus vertraut waren, welchen Einfluss Demokrit und
      die Sophisten auf die Begründer des Skepticismus geübt haben, ist
      bekannt.  Auch  ist es merkwürdig, wie Sextus, wo er auf die Er-
      kenntnisslehre Demokrit' s oder der Cyrenaiker zu sprechen kommt,
      gelegentHch  eine extrem -idealistische  oder  kritisch -reaUstische Be-
      merkung unterfließen lässt, gewissermaßen gegen seine Absicht, mit

          1) Allerdings nicht ganz rein; wie Natorp (Archiv  f. Gesch. d. Phü. III,
      355 ff., 361) nachgewiesen hat.  Auch nach den Berichten des Sextus lösen die
      Cyrenaiker bald alle Existenz in subjective Bewusstseinszüsfände auf (oi re  ««'^o
                                                                 y^P
      TYjs  xup-rjVTji: cptXöaocpoi  [jiova cpaalv  UTcöEp/ei^^ za TiaÖT), d'XXo oe oüSev.  Math. VI, 53),
      bald stellen sie die Natur der ü-oxeifjieva nur als unauffassbar hin (P. I, 215), indem
      auch sie das Dasein von uTroxeifieva mit bestimmten Qualitäten annehmen;  bald
      wird von ihnen dieses Dasein weder bejaht noch verneint, sondern bezweifelt
      (Math. Vn, 194).
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