Page 519 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung.
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keit wird er aber aucli jeden geringsten Bruchtheil einer Secunde der
Wahrnehmungszeit ausnützen können.
Anmerkung. Zur ungefäliren Beurtheilung der Geschwindigkeit dieses
Processes könnten vielleicht die kürzesten Zeiten beigezogen werden, welche uns
in der Analyse des Bewusstseins überhaupt jemals entgegentreten. Denn wie nun
schon öfters in Erinnerung gebracht wurde, sind die sog. Grade des Bewusstseins
und ihre Veränderung so recht eigentlich als die allgemeinste Eigenthümlichkeit
des Bewusstseinsprocesses überhaupt zu betrachten. Es ist ja allerdings das Ge-
biet der Gesichtsvorstellungen nicht am geeignetsten, um sozusagen die Leistungs-
fähigkeit des Bewusstseins überhaupt hinsichtlich seiner Geschwindigkeitsverhält-
nisse dadurch erkennen zu lassen, dass man bestimmter Schnelligkeiten von
Vorstellungsveränderungen eben noch als eines discontinuirlichen Vorganges be-
wusst werden kann. Hier sind ja die in den objectiven Vorstellungsverände-
rungen selbst gegebenen Geschwindigkeiten aus peripheren Ursachen nicht so be-
deutende, was natürlich nicht ausschließt, dass ihnen sonstige Bewusstseinsmomente,
d. h. eben hier die Aufmerksamkeitsveränderungen vorauseilen. Zur Beurtheilung
der möglichen zeitlichen Diflferenzirung des Bewusstseins, welche an und für sich
betrachtet nach ihrer Ausbildung von dem speciellen Sinnesgebiet unabhängig ist,
eignet sich bekanntlich am besten der Gehörsinn i). Hier zeigt aber nun die
geringste Zwischenzeit zwischen akustischen Reizen, welche noch als solche auf-
gefasst wird, (selbst wenn man von der allerkürzesten Zwischenzeit bei elektrischen
Knistergeräuschen absieht), nur 0,016" 2), ohne dass deshalb eine genaue Ueber-
einstimmung der psychischen und physischen Zeiten behauptet sein soU. Somit
dürfte man also die kürzeste Expositionszeit, welche noch deutliche Bilder zu stände
kommen lässt, eben noch für klein genug erachten, um allzugroße Veränderungen
während der inneren Auffassung des Complexes auszuschließen.
In allen bisherigen Arbeiten wurde endlich auch noch die Noth-
wendigkeit einer constanten ursprünglichen Vertheilung der Aufmerk
samkeit um einen Fixationspunkt sorgfältig beobachtet.
3) Zur Geschichte der Methode. Zur exacten Abgrenzung
kurzer Expositionszeiten hatte es nur einer entsprechenden Ausge-
staltung der Methoden bedurft, welche bereits von der physiologischen
Optik für die Untersuchung des Ablaufes der Netzhauterregung
(Helmholtz) und schon mit einer gewissen Annäherung an centralere
Fragen zur Verfolgung der allmählichen Entstehung des Tiefen-
bewusstseins bei wiederholter instantaner Beleuchtung (Volkmann)
verwendet worden waren. Aehnlich wie letzterer gebrauchte CattelP)
1) Wundt, Grundriss der Psychologie, 4. Aufl. S. 177.
2) Vgl. Wundt, Grundzüge der physich Psychologie, 4. Aufl. H, S. 391.
3) A. a. 0. Vgl. Wundt, Völkerpsychologie I, 1, S. 625 ff.