Page 525 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung.
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mit einer ehemalig klaren Bewußtheit und sicheren Erinnerung des
Ganzen nicht zu verwechseln ist. Hierin besteht somit höchstens die
Formulirung eines solchen abstracten Momentes von der vorhin be-
sprochenen Art, wie man es keineswegs etwa
als weitere concrete
Einheit unserer Fünfzahl als gleichwerthig hinzuzählen darf. Aus
dem Bisherigen geht wohl ebenfalls hervor, dass auch der Vorgang
jener »Schätzung« bei
einer größeren Zahl von Einheiten
sowohl
nach der objectiven, wie nach der subjectiven Seite auf jenen
schwankenden Abstractionen aus der unklaren Region des Erlebten
beruht. Auch die Unterschätzung weist auf eine relativ geringere
Berücksichtigung der die Fünfzahl überschreitenden Elemente hin,
wie sie eben der geringeren Klarheit entspricht.
6) Vortheil einer qualitativen Differenzirung der Ele-
mente des Complexes. Wegen der besonderen Vorbereitung des
Beobachters, die bei dieser von Cattell eingeführten Fragestellung
nach der Anzahl der gesehenen Striche vorhanden ist, wird indessen
die ganze Auffassung des Complexes und speciell die Abscheidung einer
Region maximaler Klarheit von einer relativ unklaren Umgebung
wenigstens bei jeder IJeberschreitung der Vierzahl im allgemeinen nicht
so vor sich gehen, wie es dem Sinne der Methode eigentHch entspricht.
Und gerade bei der Ueberschreitung jener Zahl ist eine solche Region
dargeboten, welche der richtigen Beurtheilung der Methode ver-
hängnissvoll werden kann. Ueber den Umfang der maximalen Klarheit,
welcher allein sicher wiedergegeben werden kann, kann ja durch die
unmittelbare Wiedergabe nur dann entschieden werden, wenn der
Beobachter bei jedem Versuche zu bestimmen strebt, wieviele Einzel-
objecte er sich so klar zu vergegenwärtigen vermag, dass er ihre
charakteristische Qualität bis zur Aussage festhalten kann. Dieser
Zweck wird aber eben nur bei einer speciellen und sozusagen individuellen
Beachtung einer gewissen Anzahl einzelner Elemente zu erreichen sein.
Durch die Frage nach der Zahl von tachistoskopisch dargebotenen
Strichen wird jedoch eine Vertheilung der Aufmerksamkeit auf den
ganzen Complex nahegelegt, und man wird daher bei einer größeren
Zahl von Einzelelementen schKeßlich aussagen, dass man zwar alles
gesehen habe, auf keines aber so concentrirt war, dass man für seine
Eigenart auch nur im Allgemeinsten gut stehen könne. Der Frage
Wu n dt, Philos. Studien. XX. 33