Page 527 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung.
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aus einer natürlich nur in beschränkter Zeit klaren Erinnerung mög-
lich. Charakteristische Zusammenstellungen müssen natürlich aus den
erwähnten Gründen möglichst vermieden werden, wo es nicht auf die
Untersuchung des >Typus« derAnordungi) ankommt. Diese Form
der Grruppirung ist dann nach kurzer Einübung schheßUch als be-
kannt und selbstverständlich vorausgesetzt und wird nicht neben den
Einzelinhalten weder im Erleben, noch in der Reflexion eine besondere
Aufmerksamkeit absorbiren. Specielle Einflüsse dieser Anordnung
können durch ihre Variation in neuen Reihen compensirt werden.
7) Bestätigung des Resultates beim tachistoskopischen
Lesen ungeläufiger Buchstaben- und Zahlencomplexe. —
Die besondere innere Einstellung beim Lesen. Nun wurden
bekanntlich die CatteH'schen Resultate der Auffassung von 4 bis 6
einfachen Strichen sowohl mit ungeläufigen Zahlencomplexen, als auch
mit sinnlosen und ungeläufigen Buchstabenzusammenstellungen schon
von ihm selbst und nach ihm von Groldscheider, Erdmann,
Zeitler u. a. bestätigt gefunden. Offenbar gestatten die in solcher
Weise combinirten Zahl- und Buchstabenzeichen auch ziemHch gut
eine Auffassung als einfacher charakteristischer Objecte, welche von
einander im allgemeinen so weit unterschieden sind, dass die zu einer
»richtigen« Angabe erforderliche Klarheit nicht einer gleichzeitigen
Beachtung mehrerer »Einheiten« entspricht, also bei maximaler Klar-
heit nicht mehr Concurrenz macht, als die sichere Feststellung eines
einzelnen Striches als solchen ohne Rücksicht auf zufällige quaHtative
Differenzen. Allerdings gilt dies nur mit einer gewissen Einschrän-
kung. Die complicirte Frage der sicheren Unterscheidbarkeit und
leichten Lesbarkeit ist ja eben auch hier wiederum eine Vorfrage,
die sich erst auf die Abgrenzung der einzelnen Einheiten selbst
bezieht, d. h. auf den Umfang des Inhaltes, der als vergleichbare
Größe von individueller Charakterisirung eingesetzt werden kann.
Dennoch ist zunächst der principielle Unterschied nicht zu ver-
kennen, welcher zwischen dem ganzen, hier von den Reizen aus-
gelösten Erlebniss und unserem Idealfall besteht, bei welchem die
1) lieber die exacteste Individualisirung durch Einführung verschiedener
Grade ein und der nämlichen Qualität vgl. später Cap. 4.
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