Page 532 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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520 Wilhelm "Wirth.
Müller verwendete Princip so weit als möglich ausdehnten. Sie be-
tonen zunächst das Unzureichende der »Auffassung als eines Ganzen*
für die Erklärung, da diese Auffassung jedem Complexe gegenüber
der durch rein optische Abgrenzungsmomente
gegeben sein könne ^
innere Gründe für eine einheitliche Auffassung enthalte, also auch
bei einem ganz sinnlosen Buchstabencomplex, bezw. bei mehreren
solchen neben einander, wie dies auch mit den Ausführungen der
Einleitung über die Einheitsbildung ganz übereinstimmt (S. 494) i). Für
die Erklärung dieses speciellen Falles kommen indessen nur diejenigen
Factoren in Betracht, welche die Auffassung als Ganzes sowohl für
die Klarheitsverhältnisse des "Wahrnehmungsactes selbst, als auch für
die Wiedergabe im einzelnen fruchtbringend werden lassen. Im An-
schluss an Löwenfeld's Feststellung typischer Wortbilder (ohne
tachistoskopische Methode), die auch bei (optischer) ündeutlichkeit
sämmthcher einzelner Buchstaben, also bei schlechter Accomodation
(oder, wie Er dmann fand, bei th eilweiser Lage außerhalb des deut-
lichen Sehens), ein Erkennen geläufiger Worte ermöglichen und im
Gegensatz zu Golds ch eider 's Betonung determinirender Einzel-
buchstaben innerhalb des Wortbildes, bezeichnen Erdmann und
Dodge die optische Gesammtform eines geläufigen Wortes als das
Ganze, welches um seiner Eingeübtheit willen sogleich als Ganzes
wiedererkannt wird und damit erst die Feststellung und Wiedergabe
der Einzelbuchstaben und ihrer gegenseitigen Beziehungen zu einander
In der That muss zugestanden werden, dass gerade
ermöglicht 2).
auch bei der tachistoskopischen Darbietung mit hinreichender optischer
1) Vgl. auch Wundt, Physiol. Psychol. 4. Aufl. n. S. 288.
2) Die ganze Discussion der Frage, ob bei ungenügender Eingeübtheit der
"Worte nicht doch wiederum eine größere Annäherung an das Buchstabiren zu
finden sei, welches außerdem höchstens noch durch die Assimilation seitens deter-
minirender Buchstaben unterstützt werde und nur bei hinreichender Verkürzung
der Expositionszeit deutlich zu erkennen sei, einer Frage, für deren Bejahung vor
allem von Zeitler mit großer Sorgfalt Material gesammelt wurde, besitzt für die
Angleichung des Lesens geläufiger Worte an die einfachste Messung des Aufmerk-
samkeitsumfanges nach dieser Methode erst secundäre Bedeutung. Insofern bei
derartigen Fällen, die sich gegen die Verwerthung einer Wortform anführen
lassen, jederzeit zugleich der Umfang des tachistoskopisch mit Sicherheit Grelesenen
eingeschränkt erscheint, vermehren sie nur die Uebergangsfälle , welche zwischen
dem buchstabirenden Auffassen sinnloser Complexe und dem Auffassen sehr ge-
läufiger Worttypen im Glänzen in der Mitte stehen. Man wird darum niemals