Page 536 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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       falls werden  natürlich die richtig wiedergegebenen Einzelbuchstaben
       der geläufigen Worte bei der Auffassung mehrerer Worte im Mittel
       die nämliche Klarheit besessen haben, wie die richtig wiedergegebenen
       ungeläufig gruppirten Buchstaben.  Doch werden  sie im allgemeinen
       wenigstens  eine größere Klarheit besessen haben,  wie  bei eben so
       vielen Elementen, die unter sich durch gar keine Beziehung associativ
       verknüpft sind.  Dies wird dann natürlich wieder nicht nur dem un-
      mittelbaren Erleben, sondern ebenso auch der selbständigen Bepro-
       ducirbarkeit zu Gute kommen.    Für  diese Frage  der Klarheitsver-
      theilung  innerhalb  einheitlich  aufgefasster Complexe  verweise  ich
      insbesondere auch auf die beiden im Folgenden noch öfters citirten
      zwei kleineren Special-Abhandlungen von Th. Lipps über die »Quanti-
      tät in psychischen Gesammtvorgängen«  i)  und »Ueber psychische Ab-
                   Die leistungsfähige Simultan-Association lässt nicht nur
       sorption« 2).
      von der Betrachtung der Einzelelemente aus sogleich die Wortform
      hervortreten,  sondern  bewirkt gewissermaßen auch eine günstigere
      Yerwerthung der gesammten dem Complex zur Verfügung stehenden
      Aufmerksamkeit im Einzelnen.    Diese Wirkung der Association auf
       die bessere Ausnützung der gesammten Fähigkeit zu maximal klaren
      Inhalten hat  auch Wundt schon     in  der  1. Auflage  der  physich
      Psychologie  speciell mit Bezug  auf  tachistoskopische Versuche  als
      Wirkung der Wiederholung einer Exposition auf die Ausweitung des
      gesammten Aufmerksamkeitsumfanges erwähnt 3).     Diese Erfahrung
      bildet natürlich  ebenfalls keinen Widerspruch gegen  die bisher be-
      hauptete Constante  des momentanen Klarheitsumfanges.   Dieser be-
      zieht sich vielmehr ausschließlich auf die Anzahl von geläufigen Ein-
      heiten ohne irgend eine bekannte Beziehung zwischen den
      Objecten,    in denen der Umfang angegeben werden            soll.
      Nur dadurch   erreicht man  ja eine möglichst gute Annäherung an
      die reine Heraushebung der Vorstellungs-Concurrenz, wie sie die un-
      mittelbare Folge der Bewusstseinsenge bildet.  Durch die Feststellung
      der möglichen Zahl derartig isolirter Elemente in maximaler Klar-
      heit ist Jedoch noch gar nichts darüber bestimmt, wie hoch sich nun

          1) Sitzgsber. d. philos.-philol. u. d. histor. Classe d. k. bayer. Akad. d. Wissensch.
      1899, 3. Heft.
          2) Ebenda 1901,  4. Heft.
          3) 4. Aufl. n.  S. 268 f.
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