Page 539 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung.  527

     erinögliclat.  EntMH nun der neue Eindruck innerhalb des ganzen
     Feldes, auf dessen Ausfüllung man vorbereitet war, lauter zusammen-
     hangslose Einzelelemente, z. B. also einen reinen sinnlosen Buchstaben-
     Complex, so wird nun eine angemessene Aufmerksamkeitsvertheilung
     in einer selbständigen Beachtung jedes einzelnen Buchstaben für sich
     bestehen müssen, während die Ausfüllung mit geläufigen Buchstaben-
     combinationen viel schneller die endgültige Yertheilung der Klarheit
     ermöglicht, etwa eben so schnell, als wenn nur eben so viele einzelne
     Buchstaben dagewesen wären.   Wieviel Zeit und Kraft nun für die
     Herstellung  der  richtigen  Klarheitsvertheilung,  welche  allein  die
     Wiedergabe  ermöglicht,  von dem gesammten Umfang      maximaler
     Klarheit verloren geht im Vergleich zu einem gleich langen Zustande,
     wo diese Yertheilung bereits von Anfang an erreicht war, ist natür-
     lich eine Frage für sich.  Auch von dieser Seite aus scheinen also
     nur  geläjifige und dauernd dargebotene Combinationen den ganzen
     möglichen Umfang maximaler Klarheit in sich aufnehmen zu können,
     während bei jeder Veränderung innerhalb des Gesammtbestandes so
     und  so  viel noch im Hintergrunde des  Bewusstseins ,  in den zur
     Klarheit aufsteigenden und von ihr zurücksinkenden Vorstellungen,
     zurückbleibt.  So ergiebt sich also beim Auftauchen geläufiger Wort-
     formen auch noch eine viel längere Dauer des mittleren Klarheits-
     grades, den die Elemente, eine bestimmte endgültige Yertheilung der
     Beachtung im Sinne des vorigen Abschnittes vorausgesetzt, überhaupt
     zu erreichen fähig sind und somit eine neue Begünstigung der Wieder-

     gabe des G-esehenen.
        Wenn man daher die Verwirrung in der Reproduction nach Dar-
     bietung ungeläufiger Complexe mit dem Erfolg eines Durcheinander-
     schütteins der Buchstaben verghchen hat, so ist dieses Endergebniss
     vor allem dem Umstände zu verdanken,     dass während der Wahr-
     nehmung   selbst  die durch  die Exposition zunächst gestörte innere
     Ruhe einer entsprechenden Aufmerksamkeits- und Klarheitsvertheilung
     niemals oder  viel zu spät wieder erreicht wird.  Auch nach dieser
     Hinsicht zeigt aber die unter der speciellen Bedingung der Neuauf-
     auffassung abgeleitete Constante keine geringere begriffliche Präcision,
     insofern ihre deductive Anwendbarkeit natürlich ganz und gar auf
     das Gebiet  solcher Neuauffassungen  mit den  entsprechenden Be-
      schränkungen des aufgestellten Umfangs eingeschränkt bleibt, wie ja
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