Page 562 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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550 "Wilhelm Wirth.
gültiges Urtheil erst von der gesammten Vorstellung im Ganzen aus-
gehen kann, so dass eine vorherige sichere Angleichung einzelner
Theile unmöglich ist, umso mehr v^erden dann auch schließlich
zwei vollständige Gresammtvorstellungen mit einander im Ganzen ver-
glichen werden müssen, eine Leistung, die natürlich die Präcision des
Erfolges entsprechend herabsetzt. Es würde freilich viel zu weit
führen, wenn man auf alle Besonderheiten eingehen wollte, die sich
bei all den Uebergängen zwischen jener successiven Angleichung mit
klarem Ueberblick über die Entfernung von Anfangs- und Zielpunkt
des simultan vorschwebenden Ganzen einerseits und jener simultanen
Vergleichung im Großen und Ganzen bei zwei neben einander ohne
klar überschaute Gliederung vorgestellten Complexen andererseits er-
geben. Jedenfalls sind hiermit die Yergleichsurtheile bei größeren
Reihen in eine größere Nähe des Vergleiches ungetheilter Strecken
und schließlich sogar rein intensiver Größen gerückt, wo ebenfalls
erst das eine Ganze mit dem anderen verglichen werden kann und
dem entsprechend erst von einer ünterschiedsschwelle des Ganzen
im eigentlichen Sinne die Rede sein darf.
5) Die zur Bewusstseinsenge noch hinzutretende Be-
schränkung der sicher beherrschten Gesammtvorstellung
aus successiven Wahrnehmungen durch den Gedächtniss-
verlust. EndHch wird noch in ähnlicher Weise wie bei den ta-
chistoskopischen Anfangsbestimmungen, diejenige Einschränkung des
gesammten Bestandes in Betracht gezogen werden müssen, welche
darauf beruht, dass auch bei dieser successiven Vergleichung längerer
Tactreihen ein Gedächtnissverlust stattfindet, welcher von der Ge-
sammtvorstellung der ersten Reihe in Abzug gebracht wird. Zunächst
ist natürlich ganz allgemein die Abnahme einer jeglichen Wahrnehmung
durch die Zeit nach Aufhören des Reizes ein Moment, welches mit
dem speciellen Inhalt der zeitlichen Vorstellung am Schlüsse der
Reihe untrennbar verknüpft ist. Die vergleichbare Gesammtvorstel-
lung einer zeitlichen Reihe wird also schon an und für sich, ohne
Rücksicht auf ihr Fortwirken beim Vergleich mit anderen ähnUchen
Reihen nicht nur durch denjenigen Umfang eingeschränkt sein, der
für jegliches simultane Nebeneinander von Inhalten besteht und
insbesondere der Auffassung solcher Complexe eine Schranke setzt,