Page 564 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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552                       Wilhelm Wirth.

      von einer bestimmten Grenze an den Vortheil der klaren Apperception
      im unmittelbaren Erleben wieder zu compensiren.  Andererseits wird
       dieser Gedächtnissverlust doch auch da wiederum nur in   viel  ge-
      ringerer Ausdehnung wirken können, wo    die Elemente, welche den
      einzelnen Theilen  des  unmittelbar Erlebten entsprechen, innerhalb
       der Gesammtvorstellung noch eine hinreichende mittlere Klarheit zu
      behaupten vermögen, und insofern kommt hier allerdings    die Zahl
      mit ihrem Einfluss  auf die Klarheitsvertheilung  in der Gesammt-
      vorstellung nochmals, wenn auch hier erst secundär, in Betracht.
          Es braucht  aber wohl kaum noch besonders hervorgehoben zu
      werden, dass für eine  bestimmte E-eihengröße wegen der Constanz
      aller Zeitverhältnisse  etc. ein etwaiger Gedächtnissverlust wenigstens
      als ein constanter Nebenfactor betrachtet werden darf.


          6) Versuch einer Angleichung des gefundenen Umfangs-
      werthes an den Umfang »maximaler« Klarheit mit Rück-
      sicht auf die größtmögliche Anzahl der entscheidenden
      Haupttacte.     Alle diese Ausführungen  sollten  nur dazu dienen,
      um etwaige Missverständnisse auszuschheßen, welche die Bezeichnung
      der bisher besprochenen Versuche mit Tactreihen   als Messung des
      Bewusstseinsumfanges mit sich führen könnten.        Zunächst war
      es natürlich niemals Wundt's Meinung,   dass von einer Ausfüllung
      des gesammten Bewusstseins in dem Sinne die Rede sein würde, dass
      überhaupt nichts anderes mehr   in demselben  Platz fände.  Selbst
      wenn durch exacteste Ausführung der Versuche in einem Still- und
      Dunkelzimmer alle Störungen möglichst ausgeschlossen wären, würde
      selbstverständlich das Bewusstsein  nicht auf  die Reihenvorstellung
      eingeengt werden können.   Außerdem zeigt aber auch der nunmehr
      ausführlich besprochene Vergleich mit analogen Ergebnissen bei viel
      größeren Tactreihen und Zeitstrecken,   bei  denen zwar  eine  ent-
      sprechende Unterschiedsschwelle, aber eben doch auch die Möglich-
      keit eines unmittelbaren Vergleiches besteht, dass jene festumschriebenen
      Grenzen sich doch nur auf den möglichen Umfang relativ größerer
      Klarheitsgrade, nicht etwa der Bewusstheit überhaupt beziehen.
      Denn nur eine   solche Stellung der Elemente kann einer so hohen
      Anforderung Genüge leisten, wie  sie in dem Verlangen nach einem
      derartig präcisen Vergleichsurtheil gestellt sind.  Berücksichtigt man
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