Page 569 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung.
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        7) Rediiction einer scheinbaren Abweichung der Wieder-
     gabe des Resultates beim rhythmischen Umfang von der
     tachistoskopischen Umfangsbestimmung maximaler Klar-
     heit.  Uebrigens verdient noch ein eigenartiger Unterschied zwischen
     den verschiedenen Resultaten bei Tactreihen zu 4 bis 6 Schlägen einer-
     seits und den Resultaten in der Nähe des Maximums des gefundenen
     Umfanges, also ca. 40 Schlägen, anderseits, wie er bei entsprechenden
    Variationen am Tachistoskop  fehlte,  eine nähere Betrachtung, weil
    man aus ihm ebenfalls eine principielle Differenz der beiderseitigen
    Resultate abzuleiten versucht sein könnte.  Bei den Tactirversuchen
    ist man sich nämlich ohne Zählen, also beim einzig exacten Versuche,
    nach dem Anhören von      ca. 40 Tactschlägen ohne  experimentelle
    Markirung von Haupttacten    nicht einmal hinsichtlich der Zahl der
     Hauptgruppen unmittelbar im Klaren, obgleich man eine eindeutige
    Gesammtvoi-stellung besitzt, während dies natürlich nach 3— 4 Schlägen
    sicher der Fall ist.  Für die Zahl von eben so \ie\ geläufigen Worten,
    kleinen Strichgruppen u. s. w., wie sie gewöhnlich dargeboten werden,
     ist man sich aber über die Anzahl ebenso klar, als ob man nur ebenso
     viele einfache Buchstaben oder Striche gesehen hätte.  Dies hängt
     fürs  erste wohl mit der geringen Abtrennung   der Hauptgruppen
     gegeneinander zusammen, was    also  anderseits  wieder dem Maxi-
     mum der noch   eine  bestimmte  Klarheit gestattenden Ausdehnung
     dieses in sich  eindeutigen, wenn auch nicht abgezählten Bestandes
     zu Gute kommt.    Die 40 Tactschläge folgen in ununterbrochener
     Reihenfolge,  so  dass  die herausgehobenen Hauptgi-uppen  bei  der
     großen  absoluten Ausdehnung   des  gesanmiten  Bestandes  keines-
    wegs  so  leicht  isoliii;  herausgegriffen werden können,  vne  es  zu
    einem klaren unmittelbaren Bewusstsein der Anzahl nothwendig ist.
     Deshalb sind sie doch alle eindeutig genug, um bei jener Abwicklung
    des Ganzen   an  der Vergleichsreihe  nicht  verwechselt zu  werden.
    Eine ähnliche Erschwerung der Zahlangabe würde sich also auch bei
    tachistoskopischen Versuchen ergeben, wenn man die Strich- oder
    Wortgruppen weniger scharf von einander trennen würde.  Nur wäre
    damit auch zugleich die Bedingung für die richtige Auffassung über-
    haupt verändert, weil ja dort die Apperception mit dem Ganzen in
    allen  seinen  Theilen im Augenblicke     der Exposition    fertig
    werden   muss.   Anderseits  würde  bei  den  Tactirversuchen  die
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