Page 570 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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558                       Wilhelm Wirth.

       Einführung markanter Grenzen zwischen den Hauptgruppen die simul-
       tane Auffassung der Anzahl ohne Zählen zu sehr erleichtem, weil ja hier
       eine successive Bewältigung des Ganzen möglich ist.  Außerdem muss
       aber doch auch noch zwischen der hinreichenden mittleren Klarheit
       einer entsprechenden Zahl von Einheiten   einer Gesammtvorstellung
       und dem Zahlbewusstsein genau unterschieden werden.   Das letztere
       setzt zwar die erstere voraus, aber nicht auch umgekehrt.  Das Zahl-
       bewusstsein erfordert zugleich eine möglichst gleichmäßige simultane
       Vertheilung der Beachtung,  wie sie auf dem Gebiet des räumlichen
       Nebeneinander   thatsächlich eher  erreicht wird,  während  auf dem
       Gebiete der Zeitvorstellung  diese Vertheilung mit dem eindeutigen
       Bewusstsein des Ganzen mitsamt seiner Gliederung noch nicht ohne
       Weiteres gegeben ist, vielmehr erst eine reflective Auflösung desselben
       auf diesen  speciellen Gesichtspunkt hin nothwendig macht, die sich
       allerdings auch in jedem Momente beliebig anschließen kann.

           8) Unnöthigkeit der Vergleichsmethode für die Fest-
       stellung des gefundenen Umfanges. — Vollwerthige Ersetz-
       barkeit durch die unmittelbare Wiedergabe.              Mit  dieser
       Eigenthümlichkeit,  die  trotzdem  keinen  principiellen  Unterschied
       des  bei  diesen  Tactirversuchen  entscheidenden Umfanges  bedingt,
       hängt wohl auch   die besondere Bedeutung zusammen,    welche der
       Vergleich mit einer zweiten Reihe  als besondere Methode der Fest-
       stellung jener klaren Einheiten bei den Tactirversuchen besitzt.  Der
       Vergleich  ist nach dem früher Gesagten  die  allgemeinste Methode,
       bei der auch die unklarsten Regionen zur Geltung kommen können.
       Insofern aber nun  hier doch wiederum nur   die nämliche Zahl von
       Einheiten den Ausschlag gibt, wie  bei den  tachistoskopischen Ver-
       suchen, so kann man fragen, ob denn hier nicht ebenso wie dort die
       Methode der unmittelbaren Wiedergabe nach Auffassung einer einzigen
       Gesammtvorstellung ausreichen müsste, um den simultanen Bewusst-
       seinsbestand festzustellen, so weit er überhaupt durch diese specielle
       Methode umfasst wird.   Allerdings  fällt diese unmittelbare Wieder-
       gabe z. B. nach der Apperception von Strichgruppen mit der sofortigen
       Angabe der Anzahl zusammen.     Doch wird man nach den Ausfüh-
       rungen  des vorigen Absatzes  diese Zahlenangabe kaum mehr mit
       dem   unmittelbaren  Ausdruck  des  augenblicklich  vorschwebenden
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