Page 571 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung.
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Gesamratbewusstseins identifizii-en. Dieser kann vielmehr auch in der
Erzeugung eines in der Zeit verlaufenden Vorgangs bestehen, und
in unserem Falle könnte er in der That in gar nichts anderem
bestehend gedacht werden, als eben darin, dass die Versuchsperson
das ihr vorschwebende Ganze thatsächhch in der angegebenen Weise
durchnimmt, dass sie die gehörten Tactreihen selbst unmittelbar nach
dem ihr vorschwebenden Vorbild herstellt. Das eigene Nach-
tactiren von selten des Beobachters ohne Zählen wäre also
die den bisherigen tachistoskopischen Versuchen ent-
sprechende unmittelbare Wiedergabe, wie sie sich aus der
vorschwebenden Gesammtvorstellimg jeden Augenbhck in dem ange-
gebenen Umfang von 4 bis 6 Haupttacten jederzeit richtig ausführen
lässt. Auch hier müsste natürlich in jedem Augenbhck die bereits
reproducirte Tactreihe vom Beobachter sorgfältig an die Gesammt-
vorstellung angeglichen werden. Aber auch bei der gewöhnhchen
Aussage nach einem tachistoskopischen Versuche Hegt natürlich eine
fortwährende Controle durch die Erinnerung vor, welche einem
solchen Vergleichsprocesse entspricht. Dass also für die Tactii^versuche
nicht die eigene Wiedergabe von selten des Beobachters, sondern die
Vergleichung mit einer ebenfalls experimentell dargebotenen neuen
Reihe erfolgte , war nur eine exactere Ausgestaltung der Methode der
unmittelbaren Wiedergabe, mit der man ebenfalls nur dem Um-
fange maximaler Klarheit (im Mittel) beizukommen vermochte. Es
waren dadurch etwaige gegenseitige Verschiebungen der Gesammt-
vorstellung und des Darstellungsmittels vermieden, auf deren gegen-
seitiger Angleichung die Wiedergabe beruht, und war diese Sorgfalt
deshalb von besonderer Bedeutung, weil bekanntlich gerade die Tact-
reihen je nach der passiven Auffassung oder eigenen Wiedergabe
einen etwas verschiedenen Charakter und inhalthchen Bestand be-
sitzen, so dass also der eigenen Wiedergabe von selten des Be-
obachters auch die eigene Herstellung des ersten eigentlichen Ver-
gleichsobjectes, natüi-lich ebenfalls ohne Zählen, entspräche. In der
That wird, man sich leicht überzeugen können, dass die in letzterer
Weise unternommenen Versuche mit denen bei durchweg passiver
Aufnahme in ihren Resultaten gut übereinstimmen. Der Umfang
wird dabei zugleich dem Maximum des nach dieser Methode mess-
baren Umfanffes deshalb besonders nahe kommen, weil die unwill-