Page 576 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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       verwendet werden oder Variationen der sonstigen Organempfindungen
       oder Grefühle, wie sie, abgesehen von der zu beweisenden Vorstellungs-
       grundlage selbst, als unmittelbare Nebenerfolge von Dauer und Zahl
       der einzelnen apperceptiven Acte auftreten könnten.  Alle derartigen
       Charakterisirungen der Einzeltacte dürften ja, wenn  sie das leisten
       sollen, wozu sie eingeführt werden, von nichts weiter abhängig  sein,
       als von der bewussten Zusammenfassung innerhalb ganz bestimmt
       markirter G-renzen, ohne Rücksicht auf andere vorhergegangene und
                                       sie würden  also die zu eliminirende
       nachfolgende Apperceptionsacte ;
       Vorstellung ebenfalls bereits voraussetzen.
          Nun hat aber doch eigentlich der Versuch,  diese simultane Ge-
       sammtvorstellung zu  eliminiren,  auch  außerdem  gar keine  allge-
       meineren Beweggründe für sich, die gegen das simultane Nebenein-
       ander mehrerer Bewusstseinselemente   überhaupt sprechen würden.
       Auch abgesehen von dem niemals bestrittenen räumlichen Nebenein-
       ander der bewussten Gesichts- und Tastempfindungen gibt es ja doch
       noch andere Beziehungen, die nur innerhalb  eines mehrfach geglie-
       derten simultanen Ganzen möglich   sind, wie  z. B.  die  eigenartige
       Coordination  von Tönen und Klängen     innerhalb  eines  Accordes.
       Somit ist also jener ganze Einwand durchaus auf der Voraussetzung
       aufgebaut, dass speciell  die Elemente einer Zeitvorstellung niemals
       in irgend einer Weise simultan im Bewusstsein gegeben sein könnten,
       sondern immer nur nacheinander bewusst werden könnten, einer An-
       schauung, der in dieser Allgemeinheit in  letzter Zeit am ausführ-
       lichsten auch von Meinong^) entgegengetreten wurde, der es in dieser
       Frage mit den nämlichen Gegnern wie "Wundt zu thun     hat.  Alle
       der Analyse des Zeitbewusstseins überhaupt entnommenen Argumente
       können natürlich auch für die Gesammtvorstellungen aus Tactreihen
       ohne specielle Berücksichtigung der Zeitdauer verwerthet werden.
          Aber zu alledem kommt eben nun aus der Vergleichung der ab-
       soluten Werthe für den Umfang der Zeitvorstellung mit anderen Um-
       fangsbestimmungen noch eine weitere Subsumption dieser Auffassung
       unter allgemeinere Gesichtspunkte hinzu, welche die ganze Vorstel-

          1) A. Meinong, üeber Gegenstände höherer Ordnung und deren Verhält-
       niss zur inneren Wahrnehmung.  Zeitschr.  f. Psychol. u. Physiol. d. Sinnesorg. 21,
       S. 183 ; besonders der dritte Abschnitt S. 243 kommt für unsere Ausführungen in
       Betracht.
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