Page 577 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung.
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     hmg noch    selbstverständlicher erscheinen  lassen.  Wenn  für den
     Umfang der Zeitvorstellung sich Werthe ergehen würden, die zu ent-
     sprechenden Leistungen auf anderen Gebieten unter ähnlichen Be-
     dingungen in keinem Verhältniss ständen, so könnte man immer noch
     eher versucht sein, eine besondere Auffassung über das Wesen der
     Zeitvorstellung nach  dieser Hinsicht gelten zu lassen.  Zeigt  sich
     jedoch noch dazu eine so gute Uebereinstimmung, wie  sie  mii- nach
     den bisherigen Versuchen erwiesen  scheint, so  sehe  ich überhaupt
     keinen Grund mehr dafür    ein, dass man eine simultane Gesammt-
     vorstellung einer Zeitreihe leugnen will.  Müsste ja doch auch sonst
     das Gedächtniss, abgesehen von der sonstigen Function, die es auch
     bei allen anderen auf ein wirkhches Erlebniss bezogenen Gesammt-
     vorstellungen als Bedingung für die Richtigkeit der Erinnerung über-
     haupt  ausübt, auf einmal ganz  speciell für die ZeitvorsteUung die
     nämliche Leistung vollbringen, wie bei anderen Complexen die Fähig-
     keit, innerhalb eines bestimmten ümfanges VorsteUungselemente  als
     eine gleichzeitige Grundlage eines Vergleichsui*theües und darauf be-
     zogenen Gefühles wirksam sein zu lassen. Zu einer solchen Leistung
     bedarf es  aber nach jenem allgemeinsten, am Beginn des Kapitels
     behandelten Prinzip jedenfalls Bewusstsein der Elemente überhaupt,
     nach den späteren Ausführungen und unter den speciellen Voraus-
     setzungen sogar eine hinreichende Klarheit der entscheidenden Ein-
     heiten.

        10) Vertheidigung des Schlusses vom Vergleichsurtheil
     auf  die Bewusstheit     der   entscheidenden Vorstellungs-
     elemente. — Die Vergleichsmethode          als Specialfall des
     allgemeinsten    Principes    der Phänomenologie       des Be-
                   Endhch wäre aber selbst nach dem Zugeständniss des
     wusstsein s.
     Vergleichsurtheiles in seinem allein auf  die Gesammtvorstellung be-
     zogenen Sinne noch ein ganz principieller Einwand gegen das ganze

     Schlussverfahren  möglich, welches  aus dem Vergleichsurtheil nach
                                 erläuterten Principe die Zugehörig-
     dem zu Anfang des Capitels
                               Gesammtvorstellung zum Bewusstsein
     keit  der  entscheidenden
              Während man also den Schluss auf die Bewusstheit da zu-
     folgert.
     gesteht, wo er zur besonderen Feststellung der bewussten Elemente
     nicht mehr nothwendig  ist, also etwa bei concreten, gegenwärtig wahr-
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