Page 581 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung.  569


                                4. Kapitel.
     Theorie  einer Bestimmung   des  (optischen) Bewusstseinsumfanges
     durch  eine tachistoskopische Vergleichsmethode. — Bestimmung
     der einzelnen Bewusstseinsgrade durch   die Unterschiedsschwelle.

            Verallgemeinerung der Vergleichsmethode zur Re-
         1)
     gistrirung beliebiger Bewusstseinselemente, unabhängig
     von höheren Einheitsbildungen und speciellen Bewusst-
     seinsgraden. — Nothwendigkeiteines simultan dargebotenen
     AVahrnehmungscomplexes zu diesem Zwecke. — Tachisto-
     skopische Darbietung des Vergleichsobjectes.         Das  in den
     soeben  dargelegten Versuchen verwerthete Princip,  dass  ein Ver-
     gleichsui-theil  jederzeit  die Bewusstheit  des Elementes  voraussetzt,
     dessen Constanz das Aehnlichkeits- und dessen Variation das Ver-
     schiedenheitsbewusstsein bewirkt, lässt aber nun  eine noch  viel  all-
     gemeinere Anwendung    in unserer Umfangsfrage  zu.  Dies  ist auch
     von Wundt selbst in den oben citirten Erläuterungen zu der vorigen
     Methode hervorgehoben worden.   Konnte man nach den Darlegungen
     des vorigen Capitels  bei  den Vergleichungen von Tactreihen über
     eine längere Reihe wieder nur in der Weise Rechenschaft ablegen,
     dass ihre Elemente einigen wenigen und für   sich maximal klaren
     Haupttheilen einer Gesammtvorstellung subsumirt waren,  so  sollen
     nun die hier behandelten Verallgemeinerungen der Vergleichsmethode
     ermöglichen, dass die einzelnen, weniger beachteten und un-
     klaren Elemente relativ selbständig zur Greltung kommen.
     Somit wird sich also auch  die Bestimmung des größten, auf solche
     Weise messbaren Umfanges nicht mehr bloß auf die Feststellung von
     vier bis sechs maximal klaren Haupteinheiten, sondern unmittelbar
      auf die einzelnen Vorstellungselemente des Umfanges selbst beziehen.
     Dadui-ch wird einerseits die Zusammenfassung der Elemente zu Haupt-
     theilen  unnöthig,  andererseits wird man  in  der Zahl  der Einzel-
      elemente und der hiervon abhängigen Vertheilung der Klarheit und
      deren mittlerer Grade so wenig beschränkt sein, als es das Klai'heits-
      minimum des einzelnen Elementes  zulässt, für welches eine derartig
      verallgemeinerte Methode eben noch gut zu stehen vermag.  Dadurch
      wird aber nun zur Vergleichbarkeit der gefundenen Umfangsbestim-

      mung  noch  ein Maß    der Klarheit    der  Einzelelemente  noth-
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